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Der Ruf der Kiwis

Der Ruf der Kiwis

Titel: Der Ruf der Kiwis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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schaffte aber ausreichende Höhen, um auch den meisten Sopranpartien der Oper gewachsen zu sein. Andererseits reichte ihre stimmliche Bandbreite auch weit in den Alt hinein. Sie war ein Stimmwunder und nutzte das bei ihren Interpretationen der Maori-Musik. Dabei waren die Lieder der Stämme meist gar nicht so kompliziert, weshalb Kuras Arrangeur sie inzwischen auch mehr als Quelle der Inspiration für eigene Kompositionen, denn als Vorlage für spezielle Arrangements nutzte.
    »Gloria! Komm herein! Ich warte seit Stunden auf dich!« Kura Martyn hatte am Flügel gesessen und ein paar Noten durchgesehen. Jetzt erhob sie sich aufgeregt und ging Gloria entgegen. Sie wirkte jung und geschmeidig; eine neunzehnjährige Tochter hätte man ihr niemals zugetraut. Allerdings war Kura bei Glorias Geburt noch sehr jung gewesen. Sie war erst Mitte dreißig.
    Gloria grüßte schüchtern und wartete auf die üblichen allgemeinen Floskeln, wie groß sie geworden sei und wie erwachsen sie aussähe. Kura-maro-tini schien es immer wieder zu verblüffen, dass ihre Tochter heranwuchs. Zwischen den seltenen Besuchen nahm sie keinerlei Anteil an Glorias Leben und befürchtete wohl nicht, da irgendetwas zu verpassen. Doch auch sie selbst schien ja nicht zu altern. Kura Martyn war in den letzten Jahren eher noch schöner geworden. Nach wie vor war ihr Haar hüftlang und tiefschwarz – jetzt allerdings kunstvoll aufgesteckt; wahrscheinlich gab es wieder irgendeine Abendeinladung. Ihr Teint war klar und cremefarben wie sahniger Kaffee, und ihre Augen leuchtend azurblau. Ihre Lider wirkten ein wenig schwer, was ihr einen verträumten Ausdruck gab; ihre Lippen waren voll und von zartem Rot. Kura-maro-tini schnürte sich nicht, aber man hätte ihre Roben auch kaum als »Reformkleider«, bezeichnet. Seit sie eine gewisse Berühmtheit besaß, ließ sie ihre Kleider nach eigenen Entwürfen anfertigen, ohne Rücksicht auf die aktuelle Mode. Der Schnitt war immer körperbetont, aber doch so weit, dass die Stoffe sie zu umspielen und zu umschmeicheln schienen. Ihre fraulichen Formen zeichneten sich ebenso darunter ab wie ihre schmale Taille, ihr schlanker Körper und ihre schlanken Beine. Kura trug auf der Bühne niemals »Baströckchen«, wie sie anfangs gehöhnt hatte, als William anregte, sie solle in möglichst traditioneller Kleidung auftreten. Aber sie hatte ebenso wenig Hemmungen, ihren Körper zur Schau zu stellen, wie eine Maori-Frau, die mit nackten Brüsten tanzte.
    An diesem Nachmittag trug Kura ein verhältnismäßig schlichtes Hauskleid aus azur- und smaragdfarbener Seide.
    Zu Glorias langweiligem, dunkelblauem Reisekostüm äußerte sie sich diesmal nicht, wie sie auch darauf verzichtete, auf irgendwelche äußeren Veränderungen einzugehen.
    »Du musst mir ein bisschen helfen, Liebes. Das tust du doch gern, nicht? Stell dir vor, Marisa ist krank geworden. Ausgerechnet jetzt, vor dem Abschiedskonzert in England. Eine wirklich schwere Grippe, sie kann sich kaum auf den Beinen halten ...«
    Marisa Clerk, eine ätherisch zarte, blonde Frau, war Kura-maro-tinis Pianistin. Sie war ungemein begabt und bildete auf der Bühne obendrein einen reizvollen Kontrast sowohl zu der exotisch wirkenden Sängerin als auch zu den oft barbarisch anmutenden Tänzen der angeblichen Maoris. Gloria schwante Schlimmes.
    »Nein, keine Angst, du musst mich nicht auf der Bühne begleiten. Wir wissen ja, dass du da Hemmungen hast ...« Gloria meinte fast, Kuras Gedanken zu lesen: »Mal ganz abgesehen davon, dass du wenig dekorativ wirkst ...« Kura fuhr fort: »Aber ich habe hier gerade ein neues Arrangement erhalten. Caleb hat sich selbst übertroffen, und dabei hatte ich kaum noch Hoffnung, dass die Noten rechtzeitig eintreffen.«
    Nach wie vor arrangierte Caleb Biller aus Greymouth, mit dem gemeinsam Kura ihre allerersten Auftritte geplant hatte, die Musikstücke für ihre Show. Der Minenerbe war ein begnadeter Musiker, allerdings zu menschenscheu, um sich selbst auf die Bühne zu wagen. Statt Kura in die Welt zu folgen, hatte er das Leben als Privatgelehrter im langweiligen Greymouth gewählt – eine Entscheidung, die Kura nicht nachvollziehen konnte. Immerhin nahm er nach wie vor Anteil an ihrer Karriere und begriff fast instinktiv, worauf es ankam und was ihr Publikum forderte. Längst lieferte er mehr Eigenkompositionen als Arrangements.
    »Und das hier ist wunderschön, eine Art Ballade. Im Hintergrund spielt sich der 
haka
 ab, ein simpler Tanz. Das hat

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