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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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war besetzt.
    Ein Mädchen kauerte gemütlich darin und las.
    Genauer betrachtet, las sie nicht mehr, sondern sie hatte ihr Buch sinken lassen und blickte dem Reiter entgegen, dessen Hufschlag wohl schon aus der Entfernung an ihr Ohr gedrungen war.
    Ethan überkam Zorn. Es war ihm gar nicht bewusst gewesen, wie sehr er sich auf die stillen Minuten auf seinem Lieblingsplatz gefreut hatte, und nun fühlte er sich regelrecht darum betrogen. Wer zum Teufel war das Mädchen und wie kam sie dazu, es sich in seinem Refugium gemütlich zu machen?
    Sie blickte zu ihm auf. Da die Sonne Ethan im Rücken stand, konnte sie ihn wahrscheinlich nicht genau erkennen, weshalb sie die Hand hob und ihre Augen beschattete. Ethan hingegen betrachtete sie mit mühsam unterdrücktem Ärger. Sie mochte vielleicht vierzehn oder fünfzehn sein, zierlich, mit halblangem blondem Haar, das mit einer Spange im Nacken zusammengehalten wurde. Sie trug Jeans, Turnschuhe und ein einfaches hellblaues T-Shirt, weder Schmuck noch Schminke, und trotz ihres zurückhaltenden Gesichtsausdrucks wirkte sie eigentlich ganz sympathisch.
    Laird schien das auch zu finden, er trabte zu ihr hinüber und beschnüffelte prüfend die Hand, die sie ihm furchtlos entgegenstreckte. Offenbar bestand sie den Test, denn er wedelte kurz mit dem Schwanz, und als sie ihre Hand auf seinen Kopf legte, hielt er still und ließ sich streicheln.
    »Ein schöner Hund«, sagte sie. »Wie heißt er?«
    Sie schien keine Angst vor dem Tier zu haben, obwohl es sie, da sie immer noch im Gras saß, an Größe erheblich überragte.
    Doch das beeindruckte Ethan im Moment wenig.
    »Was machst du hier?« Er merkte selbst, dass er sich ziemlich im Ton vergriff, aber er vermochte sich nicht zu bremsen. Seine Enttäuschung ließ ihn kindisch reagieren, obwohl er sich deswegen im selben Augenblick dafür schämte. Dass außerdem der Hund zu dieser Fremden so spontan Zutrauen gefasst hatte, empfand er fast wie einen Verrat und es fachte seinen Zorn erst recht an.
    »Bitte?« Das Mädchen richtete sich auf, ihr Gesicht verfinsterte sich.
    Laird blickte sich sichtlich verwirrt zu seinem Herrn um, die harte Stimme war er nicht gewohnt.
    »Ich fragte, was du hier zu suchen hast«, wiederholte Ethan scharf, sein schlechtes Gewissen wegen seines unmöglichen Benehmens krampfhaft ignorierend.
    Das Mädchen wies auf ihr Buch.
    »Ich lese, wie du siehst. Hast du was dagegen?«
    »Von mir aus tanz Tango«, gab Ethan zurück. »Aber nicht ausgerechnet hier!«
    »Und warum nicht?« Die Stimme des Mädchens zeigte deutlich, dass sie nun auch zornig wurde. »Hier ist öffentliches Gelände, soweit ich weiß. Oder gehört der Berg etwa dir?«
    Ethan war versucht, mit Ja zu antworten. Dem Dialekt nach zu urteilen, war das Mädchen hier fremd. Wahrscheinlich gehörte sie zu einer der Touristenfamilien aus den Pensionen im Dorf. Da konnte er ihr mit Sicherheit weismachen, dass das Land Privatbesitz sei.
    Aber dann überwog doch seine Ehrlichkeit.
    »Nein. Aber das ist mein Platz und ich hab was dagegen, dass sich auch noch hier die Touristen breitmachen.«
    »Aha.« Das Mädchen blickte sich um. »Wo ist das Schild?«
    »Welches Schild?«
    »Na, das Schild, auf dem steht: Privater Sitzplatz von xy. Auf ihn widerrechtlich benutzende Touristen werden die Hunde gehetzt!« Sie verschränkte die Arme und sah ihn herausfordernd an.
    Der Hund hatte sich gesetzt und blickte hechelnd von einem zum anderen.
    Ethan wusste keine Antwort. Es war ihm nur zu klar, wie kindisch er sich benommen hatte, und er bereute es, so heftig losgelegt zu haben. Wie kam er bloß auf souveräne Art aus diesem peinlichen Streit wieder heraus? Dass er sich dieser Zicke gegenüber in eine ziemlich dämliche Lage manövriert hatte, war unverkennbar.
    Sie schien das Gleiche zu denken, zumindest betrachtete sie ihn geradezu herablassend.
    Wütend zerrte Ethan am Zügel und wendete Sonny. Dabei entglitt ihm die Reitgerte, die er vor Wut vergessen hatte festzuhalten.
    Die Miene des Mädchens, die sich unwillkürlich noch weiter verfinstert hatte, während sie beobachtete, wie er das Pferd unbeherrscht im Maul riss, wechselte zu Amüsiertheit. Sie machte allerdings keinerlei Anstalten, die im Gras liegende Gerte aufzuheben und ihm zu reichen.
    Ethan kniff die Lippen zusammen, saß ab und bückte sich danach.
    Dem Mädchen entschlüpfte ein leises Kichern.
    »Deine Hose hat einen Riss«, bemerkte sie spöttisch. »Ich würde vorschlagen, du reitest schnell

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