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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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im spießigen roten Frack Füchse zu hetzen, bis diese dann von der Hundemeute zerfleischt wurden. Patricia verabscheute diesen »Sport«. Allein deshalb war ihr der Kerl von Grund auf schon unsympathisch. Hoffentlich wohnte er nicht irgendwo in der Nähe der Pension. Sie verspürte nicht die leiseste Lust, ihm wieder zu begegnen, der sollte bitte bleiben, wo der Pfeffer wuchs.
    Aber irgendwie war es trotzdem schade.
    Der Hund war wirklich nett gewesen.
    Und da hieß es doch immer, Herr und Hund würden einander mit der Zeit immer ähnlicher werden!
    Na, wahrscheinlich besaß der Typ den Hund noch nicht so lange. Seufzend stand Patricia auf, packte ihren Rucksack wieder zusammen und machte sich an den Abstieg.

8.
    »Also, ich finde, du solltest mitkommen. Das ist doch interessant.« Mr Mackintosh hob die Rucksäcke in den Kofferraum des Wagens und ließ den Deckel dann mit einem Knall zufallen.
    »Ich hab aber keine Lust, mir auf einem alten Friedhof die Beine in den Bauch zu stehen«, entgegnete Patricia. Sie saß auf den Stufen vor der Eingangstür der Pension und stemmte das Kinn in ihre aufgestützen Fäuste.
    »Das ist doch kein Friedhof«, widersprach ihr Vater. »Culloden ist ein historischer Platz, der Ort, an dem die vermutlich wichtigste Schlacht in der Geschichte Schottlands geschlagen wurde.«
    »Wir haben sie verloren, soweit ich weiß.« Patricia rührte sich nicht.
    »Eben. Dort liegen eintausendzweihundert schottische Freiheitskämpfer begraben. Mitglieder beinahe jedes Clans waren dabei vertreten. Auch deine Vorfahren, die Mackintoshs, haben mitgekämpft. Und ich denke, es ist auch eine Frage des Respekts. Diese Menschen haben damals für unsere Nation ihr Leben gegeben.« Mr Mackintosh hatte sich in Eifer geredet, schottische Geschichte war sein Steckenpferd.
    »Mag sein«, meinte Patricia. »Aber dazu braucht man nicht unbedingt hinzufahren. Da gibt es doch nichts Besonderes zu sehen außer ein paar Schautafeln und jeder Menge Gras und Heidekraut . . .«
    »Vielleicht entdecke ich ja ein altes Schwert«, warf Ivan mit leuchtenden Augen ein. »Oder eine verrostete Kanonenkugel.« Im Gegensatz zu seiner Schwester war er von den Plänen, einen Tagesausflug ins Moor von Culloden zu unternehmen, begeistert. Blutrünstigkeit übte immer eine starke Anziehungskraft auf ihn aus, zudem stand anschließend noch die Besichtigung des spektakulären Eisenbahn-Viadukts bei Inverness auf dem Programm.
    Patricia warf ihm einen angewiderten Blick zu. »Als ob da nach so langer Zeit noch was zu finden wäre!«
    »Es müssen ja nicht immer Waffen sein«, sagte der Vater. »Sie haben auch ein sehr interessantes Informationszentrum. Und für jeden Clan, der bei der Schlacht Mitglieder verloren hat, wurde ein symbolischer Grabstein errichtet, es ist alles sehr beeindruckend.«
    »Also doch ein Friedhof«, stellte Patricia trocken fest.
    »Lass sie doch, wenn sie nicht will.« Mrs Mackintosh trat zu ihnen. »Sie hat schließlich Ferien, da soll sie tun, was ihr Spaß macht.« Sie lächelte ihren Mann an. »Du hast mit vierzehn bestimmt auch anderes im Kopf gehabt.«
    Ihr Mann zuckte die Schultern. »Meinetwegen. Aber sie verpasst etwas, das kann ich ihr versprechen.«
    Diese Meinung teilte Patricia nicht. Das Thema Culloden hatten sie in der Schule ausgiebig durchgenommen und sogar einen Film darüber angesehen. Den Namen des Anführers Bonnie Prince Charlie konnte Patricia ehrlich gesagt nicht mehr hören. Sie wusste einigermaßen, was es mit der berühmten Schlacht von 1746 auf sich hatte, und auch, wie es heute dort aussah. Und obwohl sie grundsätzlich nichts gegen historische Stätten hatte, vermochte sie sich Angenehmeres vorzustellen, als mit ihrem geschichtsbegeisterten Vater zusammen durch das Heidekrautgestrüpp zu kriechen und inmitten von amerikanischen Touristen auf Vorfahrentrip ehrfurchtsvoll den moorigen Boden anzubeten, auf dem damals das Ende der schottischen Clans besiegelt wurde. Und bei diesem Informationszentrum handelte es sich um einen hässlichen modernen Flachbau, der ein ganz gewöhnliches Museum beherbergte.
    Da hatte sie nun wirklich keine Lust drauf.
    Also schaute sie zu, wie ihre Familie ins Auto stieg, und freute sich auf einen geruhsamen Tag allein.
    »Was hast du denn vor, während wir weg sind?«, wollte ihre Mutter wissen.
    »Och, mal sehen«, sagte Patricia. »Vielleicht geh ich ein bisschen spazieren. Hol mir im Dorf ein Eis oder so. Und dann werde ich mich wohl in den Garten setzen

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