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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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und lesen.«
    Das würde sie allerdings sicher nicht tun, dachte sie bei sich, während sie dem davonfahrenden Auto nachblickte. Mrs Dench wusste, dass ihre Eltern heute einen Ausflug unternahmen – sie würde sie sich sicher verpflichtet fühlen, sich um Patricia zu kümmern. Und das wollte sich Patricia nun wirklich nicht antun. Sie beeilte sich daher, ihr Buch einzupacken und das Anwesen zu verlassen, bevor Mrs Dench mit dem Abräumen des Frühstückstisches fertig war und sich ihr an die Fersen heften konnte. Auf den Sgurr na Lapaich wollte Patricia allerdings nicht wieder. Der Ort war ihr vergällt. Schade, es war schön dort oben. Aber es gab ja noch genug andere Ecken, wo sie keiner belästigen würde.
    Sie wandte sich in Richtung des kleinen Sees, an dem ihr Vater so gerne saß und angelte. Selbst war sie noch nicht dort gewesen, aber aus den Erzählungen ihrer Eltern – und Mrs Dench, nicht zu vergessen – wusste sie, dass sie dort sicherlich ihre Ruhe haben würde. Die anderen Touristen, die hier in der Gegend Urlaub machten, zog es mehr zu den Zuläufen des Great Glen, wo man sogar Boote mieten und von dort aus Forellen und Lachse fangen konnte. Patricia wollte garantiert nicht angeln, aber ein stilles Plätzchen am Seeufer für ein paar gemütliche Lese-stunden fand sich bestimmt.
    Der See war nicht besonders groß, eher ein Teich, und lag, von flechtenbewachsenen Findlingen, niedrigem Buschwerk und einigen kleinen Bäumen umsäumt, in der Mitte eines kleinen Nachbartals. Es führte sogar ein relativ guter Weg hin, offenbar nutzten ihn auch die Einheimischen zum Fischen.
    Direkt am Ufer fand Patricia einen sonnigen, trockenen Platz im Windschutz eines großen Granitblocks. Von dort aus konnte sie direkt aufs Wasser schauen. Es hatte die gleiche dunkle, fast stahlblaue Farbe wie Loch Ness, die, wie Patricia von ihrem Vater wusste, vom torfigen Grund herrührte, und schien recht tief zu sein. Als sie probeweise eine Hand ins Wasser steckte, zog sie sie sogleich schaudernd wieder zurück. Die Temperatur war eisig und das im Hochsommer! Baden mochte hier sicherlich niemand.
    Ein paar Enten und Blesshühner schien das kalte Wasser jedoch nicht zu stören, sie paddelten munter umher, jagten sich gegenseitig durch das Schilfgras im flachen Uferbereich und tauchten nach Wasserpflanzen und Insektenlarven.
    Patricia lehnte gemütlich am sonnenwarmen Stein und beobachtete das muntere Treiben eine ganze Weile, bevor sie sich in ihr Buch vertiefte. Sie fühlte sich wohl hier, die Ferien taten ihr wirklich gut, das musste sie zugeben. Immer noch dachte sie häufig an Gavin, aber der schlimme Schmerz der ersten Monate nach seinem Tod war in eine stille Trauer übergegangen. Sie merkte außerdem, dass sie nicht mehr ausschließlich aus Kummer um den verlorenen Freund bestand, sondern, dass es auch gute Momente gab.
    So wie eben. Der stille See, die warme Sonne, der große raue Steinblock, die im Wind rauschenden Blätter der Büsche am Ufer und die unbeschwerten Enten, dazu ein gutes Buch – Patricia hatte das Gefühl, nicht mehr wie versteinert zu sein, sondern wieder zu atmen, zu leben.
    Sie wusste nicht, wie lange sie gelesen hatte, als ein Knacken im Gebüsch sie aufblicken ließ.
    Was war das?
    Stille. Auf dem See schlug ein Blesshuhn mit den Flügeln, das war das einzige Geräusch. Nein, sie hatte es sich wohl nur eingebildet.
    Patricia wandte sich wieder ihrem Buch zu.
    Doch, da war es wieder! Ein Rascheln, es kam aus den Sträuchern hinter dem Steinblock. Jetzt knackte ein Ast, und als Patricia den Hals reckte, um am Stein vorbeiblicken zu können, sah sie, wie sich die Zweige eines Baumes bewegten. Vom Wind konnte es nicht kommen, sonst würden alle Ranken wackeln.
    Da befand sich irgendetwas.
    Oder irgendwer.
    Patricia wurde es mulmig. Vielleicht war es doch keine so gute Idee, hier ganz allein zu sitzen. Man hörte immer wieder in den Nachrichten, dass Mädchen überfallen wurden . . .
    Sie machte sich ganz klein hinter dem Granitblock und hoffte, dass sie unbemerkt blieb.
    Wieder das Rascheln und ein Geräusch, als ob jemand Blätter vom Baum riss. Dann ein Poltern, wie wenn etwas zu Boden fiel.
    Das hörte sich nun allerdings rein gar nicht nach einem Triebtäter an.
    Patricia lugte wieder um den Stein herum und sah genauer hin.
    Zwischen den belaubten Zweigen der Uferbäume konnte sie etwas Hellbraunes ausmachen. Ein Stück Fell, etwas Großes.
    Ein Tier!
    Der Farbe nach ein Löwe.
    Allerdings war sich

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