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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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eine Pfeife, aus der kleine Rauchwölkchen stiegen. Sein rotwangiges Gesicht war von Fältchen durchzogen und zeigte deutlich, dass er die meiste Zeit seines Lebens an der frischen Luft verbracht hatte, und seine klaren blauen Augen strahlten ruhige Freundlichkeit aus.
    Patricia kannte den Mann nicht, aber sie wusste sofort, wen sie vor sich hatte.
    »Sie sind Mr McNair, oder?«
    Das faltige Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Du kannst mich ruhig Silas nennen«, meinte der Mann, nachdem er umständlich seine Pfeife aus dem Mund genommen hatte. »Das tun hier alle.«
    Patricia erwiderte scheu sein Lächeln. »Ich bin Patricia.«
    »Ich weiß«, sagte Silas. »Ich hab dich schon einige Male auf dem Hof gesehen. Du gibst einem der Mädchen Reitunterricht, nicht wahr?«
    Patricia wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Irgendwie war es ihr unangenehm, dass ihre Anwesenheit schon so bekannt war.
    Silas steckte seine Pfeife wieder in den Mundwinkel und lehnte sich wie selbstverständlich neben Patricia an den Koppelzaun.
    »Gute Tiere, unsere Garrons«, bemerkte er.
    »Garrons?«
    Er wies auf die Ponys. »Das ist die Rasse. Highland Ponies sagt man auch.«
    »Die andere Bezeichnung kannte ich noch gar nicht«, meinte Patricia ehrlich. »Ich wusste nur, dass es Hochlandponys sind.«
    Silas nickte vor sich hin. »Es ist ein alter Begriff. Die Crofters, die Kleinbauern, haben ihn geprägt. Sie halten diese Ponys schon seit Jahrhunderten für die Arbeit.«
    »Ich weiß leider nicht viel über sie«, sagte Patricia und beobachtete gedankenverloren Dallis, die ihren Kopf wieder zum Grasen senkte. »Ich habe nur gelesen, dass sie für die Landwirtschaft eingesetzt wurden.«
    »Für die Feldarbeit, aber auch für alles andere, was man sich nur denken kann.« Silas zog an seiner Pfeife. »Sie sind so stark, dass ein einziges Pony einen ganzen Hirsch tragen kann. Als Lasttiere waren sie daher noch wichtiger als für den Pflug.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Patricia.
    »Ohne die Ponys wäre für die Crofters alles noch viel schwerer gewesen, als sie es damals ohnehin schon hatten«, fuhr Silas fort. »Es waren harte Zeiten.« Er nahm seine Pfeife aus dem Mund und klopfte sie am Zaun aus, bevor er einen Tabaksbeutel aus der Hosentasche zog und umständlich begann, sie neu zu stopfen.
    »Allerdings. Aber das Leben hier in den Highlands war noch nie ein Zuckerschlecken. Der Boden gibt wenig her, das Klima ist rau und die fruchtbare Jahreszeit kurz. Die Bauern mussten sich ziemlich plagen, um ihre Familien durchzubringen. Nach der Arbeit auf dem Feld gingen sie daher noch jagen, fischen und stachen Torf in den Hochmooren. Wege, auf denen Wagen fahren konnten, gab es kaum und alles musste daher auf den Rücken der Ponys transportiert werden.« Er hatte seine Pfeife fertig gestopft, holte nun ein Streichholzbriefchen aus der Tasche und beschirmte die Flamme mit der Hand gegen den Wind, um den Tabak zum Brennen zu bringen. »Dann kam der Aufstand.«
    Patricia nickte. »1746. Das haben wir in der Schule durchgenommen.«
    Silas lächelte. »Eure Schulen scheinen gar nicht so schlecht zu sein.«
    »Na ja«, wandte Patricia ein, »das meiste vergisst man wieder, sobald der Test darüber geschrieben ist.«
    Silas lachte. »Ja, das war zu meiner Zeit auch nicht viel anders. Man merkt sich eigentlich nur das, was einen wirklich interessiert.«
    »Stimmt. Wie das mit den Ponys.«
    »Eben.«
    »Und was geschah danach?«, wollte Patricia neugierig wissen.
    »Nun ja«, fuhr Silas fort, »nach der Niederlage von Culloden wurden die Highlander sozusagen systematisch vernichtet. Man enteignete jeden, dessen Familie auch nur entfernt etwas mit dem Aufstand zu tun hatte. Man verbot die äußeren Zeichen der Clans . . .«
    »Die Kilts zum Beispiel, oder?«
    »Richtig. Sogar Gälisch zu sprechen, war bei Höchststrafe untersagt. Und dann beschloss die englische Regierung auch noch, sämtliches Ackerland in Weideflächen für Schafe umzuwandeln. Schafe versprachen gutes Geld, die Nachfrage nach schottischer Wolle war groß.« Er wies auf die Berge ringsumher. »Deshalb sind auch die Highlands heute so kahl, sämtliche Wälder wurden dafür abgeholzt.«
    Patricia sah den alten Mann erstaunt an. »Wälder? Hier?«
    Silas lächelte. »Heute möchte man kaum glauben, dass es hier noch vor weniger als zweihundert Jahren ganz anders aussah. Das Hochland war in weiten Bereichen dicht bewaldet.«
    »Das kann man sich wirklich kaum

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