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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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der Koppel holen wollten.
    »Ich reite Dallis!«, schrie ein vielleicht achtjähriges Mädchen. Sie wollte nicht einmal warten, bis Damian die Stangen des Koppelausganges zur Seite schob, sondern kletterte flink hindurch und stürzte auf die graue Stute zu.
    Die Ponys schienen an solch stürmische Begrüßungen gewöhnt zu sein, nur ein Brauner schreckte im ersten Moment auf und tat einen Hopser auf die Seite. Die anderen, Dallis eingeschlossen, blieben ruhig stehen und ließen sich von den Kindern beim Halfter nehmen.
    Stumm sah Patricia zu, wie die Kinder mit den Ponys abzogen.
    »Hast du nicht doch Lust mitzukommen?«
    Damian natürlich, er konnte es einfach nicht lassen.
    Patricia bemühte sich nicht einmal um eine Antwort und nach einem kurzen Blick in ihr Gesicht lächelte Damian ein wenig verlegen.
    »Na, dann bis später«, sagte er und schloss das Tor des Zaunes. »Wir sehen uns ja noch.«
    »Bis nachher.« Patricia nickte ihm zu.
    Am vernünftigsten wäre es, sie machte einfach kehrt, ging zurück in die Pension und kam nie wieder hierher. Michelle würde es verschmerzen. Eine große Hilfe stellte Patricia für sie, bei Licht betrachtet, ohnehin nicht dar. Was konnte sie ihr schon beibringen?
    Und für sie selbst, Patricia, wäre es die einzig richtige Entscheidung. Sie durfte sich nicht schon wieder in etwas hineinsteigern, was letztlich nur Kummer verursachen konnte.
    Schließlich gab es noch anderes auf der Welt als Pferde.
    Katie und Jennifer fielen ihr ein und zum ersten Mal seit Monaten wurde sich Patricia bewusst, wie sehr sie ihre Freundinnen vermisste. Wie schön wäre es, wenn sie sie einfach anrufen und sich mit ihnen verabreden könnte. Zum Inliner-Fahren zum Beispiel oder fürs Kino. Ja, auf Kino hätte sie jetzt richtig Lust. Auf keinen Fall ein Problemfilm, nein, lieber eine Komödie oder etwas mit viel Action. Ihr fiel der neue Film von Tom Cruise ein – auf den Typen stand Katie absolut und ließ sich immer so herrlich mit dieser Schwärmerei aufziehen. Und hinterher gingen sie zu McDonald’s, einen BigMac essen und ein bisschen über Jungs lästern, das war schon Tradition bei ihnen.
    Doch dann erinnerte sie sich wieder daran, wie sie Katie und Jennifer bei ihrer letzten Begegnung behandelt hatte. Die Beschämung überkam Patricia wie ein Guss kalten Wassers. Um Himmels willen, was hatte sie da nur angerichtet! Dass sie die beiden Freundinnen derartig vor den Kopf stieß, hatten sie wirklich nicht verdient. Sie waren bestimmt ziemlich sauer auf sie. Was, wenn sie nun nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten? Zu verstehen wäre es schon, immerhin hatte sich Patricia ihnen gegenüber absolut unmöglich benommen.
    Erst jetzt erkannte Patricia, wie weh ihr das tun würde.
    Gavin war von klein auf ihr Freund gewesen, der Gedanke an seinen Tod schmerzte immer noch unsäglich. Aber er war nicht der Einzige, den sie hatte, das wurde ihr nun klar. Ihr Verhalten Jennifer und Katie gegenüber mussten die beiden jedoch so interpretieren, dass ihr an der Freundschaft nichts lag.
    Patricia stöhnte unwillkürlich auf und legte ihre Stirn auf den harten Balken des Koppelzauns.
    Nein, das hatte sie nicht gewollt! Die Freundinnen waren ihr doch wichtig!
    Aber vielleicht hätte sie ihnen das ja auch einmal sagen sollen? Sie musste das irgendwie wieder in Ordnung bringen.
    Automatisch tastete sie in ihrer Jackentasche nach ihrem Handy. Dann fiel ihr wieder ein, dass es in ihrer Reisetasche in der Pension lag. Patricia hatte es eigentlich gar nicht mit in den Urlaub nehmen wollen. Wozu auch? Aber dann landete es aus reiner Gewohnheit doch mit im Gepäck. Hoffentlich hatte sie das Ladekabel auch mit eingepackt, der Akku war natürlich komplett leer. Aber wenn sie das Kabel dabeihatte, würde Patricia das Handy heute Abend gleich laden und Jennifer und Katie eine SMS schicken.
    Besser wäre natürlich, sie anzurufen. Doch wenn die beiden wirklich nichts mehr mit ihr zu tun haben wollten, war eine SMS sicher leichter zu ertragen.
    Patricia seufzte. Sie fühlte sich furchtbar und sie wusste, dass es ihre eigene Schuld war.

15.
    »Ich dachte, du wolltest nicht mehr reiten?«
    Der Ausdruck von Ivans sommersprossigem Gesicht zeigte eine Mischung von Neugier und Schadenfreude.
    Die Mutter ließ das Messer sinken, mit dem sie gerade Butter auf ihren Toast strich, und warf Patricia einen ängstlichen Blick zu. Ihrer Miene war anzusehen, was sie dachte: Um Himmels willen, musste der Bengel davon anfangen? Und wie

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