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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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weitergestreichelt werden und das war eindeutig wichtiger als sinnlose Debatten.
    Damian sah zu, wie Patricia leise mit dem Pferd sprach.
    Er räusperte sich.
    »Die kleine Dallis hat sich ja schnell mit dir angefreundet.«
    Patricia lächelte. »Ja, scheint so.« Sie zupfte ein paar Blätter aus der Mähne des Ponys und strich dann die Strähnen glatt.
    »Willst du nicht auch mal reiten?« Damians Frage traf Patricia unvorbereitet, obwohl sie hätte wissen müssen, dass sie über kurz oder lang damit konfrontiert werden würde.
    »Nein.« Sie sah Damian dabei nicht an und hoffte, ihr Ton war eindeutig.
    Doch entweder hatte Damian kein Ohr dafür oder es mangelte ihm an jeglichem Einfühlungsvermögen.
    »Warum denn nicht?«, fragte er beharrlich. »Du kannst es doch. Ich hab gesehen, wie du Michelle unterrichtest, du bist eindeutig keine Anfängerin.«
    Patricia schwieg.
    »Also wenn es wegen Geld ist – du liebe Güte, du hast hier schon so viel gemacht, dass als Honorar dafür ab und zu reiten absolut drin sein sollte«, fuhr er fort.
    Patricia sagte immer noch nichts. Hör auf, dachte sie bei sich. Hör endlich auf damit!
    »Also, ich würde dich wirklich gern mal reiten sehen.« Damian gab nicht auf.
    Patricia fuhr herum, ihre Augen blitzten.
    »Nein. Ich will nicht reiten. Verstanden?«
    Damian stutzte. Erst jetzt schien ihm Patricias Gesichtsausdruck aufzufallen.
    In Patricia tobten die Gefühle. Wenn Damian jetzt noch ein einziges Mal damit anfinge, dann würde sie ihm ins Gesicht springen.
    Doch er sagte nichts und sah sie nur nachdenklich an.

13.
    Die kleine graue Stute stand wie immer etwas abseits von ihrer Herde und graste, als Patricia an den Zaun trat.
    »Hallo Dallis!« Patricias Stimme war leise und sie lehnte sich vorsichtig an den obersten Balken. Sie hoffte, die anderen Ponys würden sie nicht sofort wieder als verheißungsvolle Leckerbissenlieferantin ansehen und angelaufen kommen, doch natürlich trat genau das ein. Der Falbe war der Erste, der erwartungsvoll herantrabte, zwei oder drei andere folgten augenblicklich.
    »Ihr seid vielleicht verfressen«, lachte Patricia und streichelte ergeben die fordernden Nüstern, die sich über den Zaun drängten.
    Dallis hatte den Kopf gehoben und blickte Patricia ruhig an, doch wie befürchtet machte sie keine Anstalten, sich locken zu lassen.
    Patricia seufzte. So wurde das nichts.
    Sie war heute extra früh dran, um vor der täglichen Übungsstunde mit Michelle noch nach Dallis zu sehen und vielleicht die gestern so zaghaft gesponnene erste Bande vertiefen zu können. Doch inmitten der ganzen Ponygruppe bestanden wenig Chancen, sich mit der Grauen allein zu beschäftigen. Die Regeln einer Herde waren klar: Die Ranghöheren beanspruchten für sich alles, was ihnen interessant erschien. Und Menschen, die sie streichelten und erfahrungsgemäß auch etwas Leckeres in den Taschen bei sich trugen, waren sicherlich nichts, was sie mit Außenseitern zu teilen gedachten. Es nutzte nichts, wenn Patricia ärgerlich wurde oder versuchte, sie zu verscheuchen – Dallis würde niemals herankommen, solange sie befürchten musste, von den anderen weggebissen zu werden. Das war eben die Natur und dieses Verhalten hatte ja im Grunde auch seinen Sinn.
    Was sollte sie tun?
    Patricia überlegte, was sie tun sollte, während sie die zutraulichen Ponys streichelte und klopfte.
    Die einzige Möglichkeit war, Dallis von den anderen wegzubringen.
    Doch durfte sie das einfach?
    Eigentlich ging das Pony sie nichts an. Und überhaupt – hatte sie sich nicht vorgenommen, sich nicht mehr mit Pferden zu beschäftigen?
    Dallis stand immer noch da und sah sie an. Ihre dunklen Augen glänzten warm, die Ohren waren aufmerksam auf Patricia gerichtet und irgendwie schien es dem Mädchen, als würde auch Dallis gern mit ihr zusammen sein.
    Patricia merkte, dass sie dem Pferdchen schon jetzt zu viele Gefühle entgegenbrachte. Sie wusste nicht, wieso, aber sie sah wieder sich selbst, ihre eigene Einsamkeit, und sie wollte nicht, dass es Dallis genauso ging. Es war unnatürlich, dass ein Pferd so allein war, Pferde waren Herdentiere.
    Sie stützte die Arme auf den Koppelzaun.
    Nein, sie musste etwas unternehmen.
    Schritte schreckten Patricia auf. Sie fuhr hoch. Es würde doch nicht Damian sein, der sie gleich wieder damit plagte, dass sie reiten sollte?
    Sie drehte sich um.
    Ein alter Mann in Gummistiefeln, Arbeitshosen, Pullover und karierter Baskenmütze kam auf sie zu, im Mundwinkel hing

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