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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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deiner Unterhaltung. Du hast doch schon genug Besuch!«
    Patricia hatte bisher nicht weiter darauf geachtet, wer sich noch im Zimmer befand. Doch auf Damians Bemerkung hin schaute sie auf und erstarrte.
    Der schlaksige Junge, der auf dem alten leinenbezogenen Sofa saß und gerade in seiner Teetasse rührte, blickte ihr finster entgegen.
    Das durfte doch nicht wahr sein!
    Der Herr Großkotz höchstpersönlich!
    Am liebsten hätte sich Patricia auf der Stelle umgedreht und wäre Damian gefolgt, der, sichtlich in Eile, schon wieder draußen war. Doch sie konnte Silas nicht derartig unhöflich behandeln.
    »Setz dich doch.« Silas wies mit aufforderndem Lächeln auf das Sofa. »Ich weiß nicht, ob ihr euch schon kennt . . .?«
    »Nein.« Patricias Antwort kam schnell und ohne Überlegung. Ihr Sitznachbar sagte gar nichts, rückte nur demonstrativ in die am weitesten von Patricia entfernte Ecke des Sofas. Auch Patricia achtete darauf, mit möglichst großem Abstand von ihm Platz zu nehmen. Steif saßen sie da und schauten sich nicht an.
    Silas ließ einen aufmerksamen Blick zwischen den beiden hin-und herwandern, doch er lächelte unverdrossen. »Also, dann darf ich vorstellen – Patricia, dies ist Ethan, er lebt drüben in der Destillerie Longmuir und opfert mir hier ab und zu ein Stündchen.« Er zwinkerte Ethan zu, der nicht anders konnte, als widerwillig Silas’ Lächeln zu erwidern. Er mochte den alten Mann, das war eindeutig.
    »Ethan, darf ich dir Patricia vorstellen, eine liebenswürdige junge Dame mit einem großen Herzen für Pferde und einem ausgesprochenen Talent für das Unterrichten kleiner Reitschüler.«
    »So? Kleiner?« Ethan murmelte es leise vor sich hin, doch Patricia hörte seine Bemerkung trotzdem. Sie wusste, auf was er anspielte, und obwohl sie ihn ja eigentlich ignorieren wollte, warf sie ihm einen giftigen Blick zu, den er in gleicher Weise erwiderte.
    Dennoch fühlte sich Patricia unwillkürlich gefangen von der altertümlich ritterlichen Weise, in der Silas sprach. Es passte zur Umgebung, auch das Zimmer gefiel ihr. Ein richtiger alter Landhaussalon, mit schweren Eichenmöbeln, dunkler Wandtäfelung und offenem Kamin über die gesamte Stirnwand. Bronzefigürchen auf der Anrichte, ein Messingkerzenleuchter auf dem Kaminsims und ein großformatiges Ölbild über dem Sofa vervollständigten die gemütliche Atmosphäre, die nicht einmal vom trüben Wetter draußen zu beeinträchtigen war.
    »Eine Tasse Tee?« Silas unterbrach Patricias Gedanken, sie schreckte auf und lehnte dann mit einem fast schuldbewussten Lächeln ab. Hoffentlich fühlte er sich nicht beleidigt, sie wollte ihn auf keinen Fall verletzen. Er war ja wirklich nett, der alte Si-las. Aber mit dem Idioten da neben ihr gemütlich Tee trinken und Konversation machen, nein danke!
    »Entschuldige, ich hatte schon wieder vergessen, du bist ja nicht zum Vergnügen hier.« Silas’ verschmitzter Blick streifte Patricias Hand. »Da siehst du mal, alte Leute können sich nichts mehr merken. Aber ich hol schon was zum Verbinden, kleinen Augenblick.«
    Die Stille im Raum, während Silas draußen war, schien beinahe mit den Händen greifbar zu sein. Patricia und Ethan saßen mit steifem Rücken in ihren jeweiligen Sofaecken und schauten stumm in entgegengesetzte Richtungen.
    Als Silas mit einer Schüssel Wasser und einigen Verbandsutensilien zurückkehrte, warf er einen prüfenden Blick auf seine beiden beharrlich schweigenden Gäste, doch er sagte nichts, stellte die Wasserschale auf den niedrigen Couchtisch und zog seinen Sessel zu Patricia hinüber. Nach kurzem Suchen zog er außerdem eine altmodische Hornbrille aus der Brusttasche seines karierten Hemdes hervor und setzte sie umständlich auf.
    »So, dann wollen wir mal sehen.« Aufmerksam betrachtete Silas die große Schürfwunde auf Patricias Handrücken und griff dann nach dem mitgebrachten Waschlappen.
    Patricia biss die Zähne zusammen, während er behutsam das Blut und die Schmutzspuren abtupfte. Es tat weh, aber sie würde den Teufel tun, sich vor dem Typen neben ihr eine Blöße zu geben.
    Ethan interessierte sich allerdings nicht im Geringsten für die Behandlung. Mit unbewegtem Gesicht hielt er seinen Blick auf das Bild an der gegenüberliegenden Wand geheftet. Allerdings hielt er seine Tasse ein wenig zu krampfhaft fest, was bewies, dass er sich durchaus nicht so locker fühlte, wie er sich gab.
    »Hm«, sagte Silas und drehte Patricias gesäuberte Hand vorsichtig ins vom

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