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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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Hand tat auf einmal sehr weh. Im Stall herrschte eine derart schwache Beleuchtung, dass sie kaum etwas sehen konnte und beim Werfen der Gerte irgendwo hängen geblieben sein musste.
    Verdammt, das tat wirklich weh, sie konnte die Hand kaum biegen.
    Patricia versuchte, im Dämmerlicht zu erkennen, ob eine Wunde sichtbar war. Ja, die Hand schien zu bluten.
    Na, egal. Sie konnte darauf jetzt keine Rücksicht nehmen, sie musste wieder raus, zu Dallis.
    Emily war inzwischen garantiert weg und Dallis erkältete sich, wenn sie länger unversorgt in ihrem verschwitzten Zustand draußen stand.
    Sie drehte sich um und öffnete die Stalltür.
    Dallis stand tatsächlich noch am Balken, ihr Kopf hing tief herunter. Emily war verschwunden, wie erwartet.
    Neben Dallis hatten sich inzwischen die anderen Ponys mit ihren Reitern eingefunden, Michelle war allerdings nicht dabei, wie Patricia mit kurzem, schnellem Blick feststellte. Vielleicht hatte Michelle ja endgültig die Nase vom Reiten voll, nachdem sie sich nun auch noch von Patricia im Stich gelassen fühlen musste. Patricia verspürte einen weiteren Anflug von schlechtem Gewissen, doch sie verdrängte es. Dallis war wichtiger.
    Patricia ging um den Balken herum und näherte sich dem Pony behutsam, während sie leise auf das Pony einsprach.
    Sie spürte einen dicken Kloß in der Kehle, als sie sah, wie die kleine graue Stute vom Klang ihrer Stimme aus ihrer Lethargie geholt wurde, ihre Ohren aufstellte, den Kopf hob und ihre Augen auf sie richtete.
    »Oh Dallis«, sagte Patricia mit erstickter Stimme und legte der Grauen beide Hände auf die Stirn.
    Und Dallis hob die Nüstern und schnoberte sanft an Patricias Armen. Ihre Augen glänzten dunkel und feucht, ihre Berührung war samtweich.
    Patricia stiegen nun tatsächlich die Tränen in die Augen.
    Das Pony schien sie wirklich wiederzuerkennen und ihr zu vertrauen. Und das, trotz ihrer schlimmen Erfahrung gerade eben.
    Patricia konnte nicht anders, sie legte ihre Arme um den Hals des Tieres und vergrub ihr Gesicht an seinem Hals. Dallis hielt still.
    Doch nach wenigen Augenblicken nahm sich Patricia zusammen. Sie musste das Pony versorgen, keine Zeit für Gefühle.
    Mit schnellen Griffen löste sie den Gurt und hob den Sattel vom Rücken des Ponys. Sie wusste zwar nicht, ob Dallis heute noch einmal für einen Ritt eingeteilt war, aber sie entschied, dass für die Stute das Tagwerk für diesmal vollbracht war. Und wehe, irgendjemand widersprach – Patricia war willens, deshalb den größten Krach zu veranstalten!
    Auch die Trense war schnell entfernt. Patricia eilte noch einmal in den Stall und holte den Lappen, mit dem Michelle immer Linus abrieb. Behutsam, aber sorgfältig rubbelte sie das Fell der Stute trocken und kniff die Lippen zusammen, als sie dabei die von den Sporen verursachten Wunden genauer betrachten konnte. Auch die Gerte hatte Striemen hinterlassen und Patricia merkte, wie in ihr wieder der Zorn aufstieg. Doch sie schluckte ihn hinunter – Dallis zumindest schien nicht mehr daran zu denken und sie wollte die Stute nicht aufs Neue verängstigen, indem sie sich ihren Ärger zu sehr anmerken ließ.
    Dallis wirkte immer noch sehr müde, aber wenigstens war dieser erschreckende Ausdruck von Stumpfsinn verschwunden, den sie noch vor wenigen Minuten gezeigt hatte. Aufmerksam beobachtete sie Patricias Bemühungen, und obwohl sie nach dem Abnehmen der Trense nicht mehr festgebunden war, blieb sie geduldig stehen und ließ sich abtrocknen und hob auch willig die Hufe, als Patricia diese untersuchte.
    Wie konnte man ein so sanftes, liebenswertes Tier nur so quälen!
    »Ich verspreche dir«, sagte Patricia leise und legte ihre Hand auf den samtigen Hals der grauen Stute, »dass ich alles tun werde, damit dich keiner mehr quält.«
    Sie hoffte, dass sie dieses Versprechen halten konnte.
    »Hallo Patricia, auch wieder bei der Arbeit?«
    Patricia drehte sich um. Damian stand hinter ihr und betrachtete sie lächelnd.
    »Allerdings«, gab sie zurück. »Die eigentlich dafür zuständige Dame hat sich wieder mal verpisst.«
    Damian zuckte die Achseln. »Was soll ich denn machen?«
    Patricia schaute ihm in die Augen. »Das kann ich dir sagen. Du solltest Emily zum Beispiel verbieten, die Pferde zu quälen.« Ihre Stimme bebte vor Erregung.
    Damian warf einen Blick auf Dallis und seufzte. Patricia, die gehofft hatte, dass er erstaunt und genauso böse sein würde wie sie selbst, erkannte voller Mutlosigkeit, dass er es wusste. Und

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