Der Ruf der Pferde
dass er nichts unternehmen würde.
»Ach so«, sagte sie kalt. »Bloß keine Kunden vergraulen, nicht wahr?«
»Patricia, du musst das verstehen.« Damian klang hilflos. »Der ganze Betrieb hier lebt von den Touristen. Wir sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Kinder zum Reiten kommen, aber bei der schlechten Wirtschaftslage momentan werden es ohnehin immer weniger. Wir können es uns da leider nicht leisten, wählerisch zu sein.« Er wies auf ein stämmiges, rothaariges Mädchen, das ein Stück entfernt stand und mit Eifer ihren Braunen abrieb und dabei mit ihm sprach. »Nur solche Kunden wären uns natürlich am liebsten, aber unglücklicherweise sind eben nicht alle so. Und solange Emily regelmäßig kommt und für ihre Reit-stunden bezahlt, müssen wir uns irgendwie mit ihren Eigenheiten abfinden.«
»Aha, ihr müsst euch damit abfinden. Und Dallis dann natürlich auch. Klar, für ein bisschen Geld darf ein Pferd ruhig bis zur Erschöpfung gehetzt werden und mit Peitsche und Sporen traktiert werden, wenn es nicht mehr kann.« Patricias Stimme hatte einen höhnischen Ausdruck angenommen.
Damian seufzte wieder. Dann bückte er sich und betastete die kleinen Risswunden in Dallis’ Seite.
»Glaub mir, ich wünschte wirklich, wir könnten die Göre zum Teufel jagen«, sagte er dann und sah Patricia offen an. »Du brauchst nicht denken, dass ich das so besonders toll finde, was sie tut. Ich habe ihr selbst auch schon einige Male gesagt, sie soll das bleiben lassen. Aber du hast sie ja selbst kennengelernt. Da ist jedes Wort verschwendet. Sie weiß sowieso alles besser.«
»Verdammt, dann musst du halt mal den Chef rauskehren«, rief Patricia erbost. »Bist du der Reitlehrer oder nicht? Ich kann mich nicht erinnern, dass ich oder sonst jemand von uns es jemals gewagt hätte zu widersprechen, wenn Helen sauer auf uns war.«
»Helen?«
»Meine Reitlehrerin zu Hause«, murmelte Patricia, der zu spät einfiel, dass sie mit diesem Kapitel abgeschlossen hatte.
Damian schaute sie einen Moment aufmerksam an, doch er ging auf diesen Punkt zum Glück nicht weiter ein, sondern schüttelte den Kopf.
»Ob du es glaubst oder nicht, ich hab es versucht. Hab Emily angeschnauzt, als sie mal wieder meinte, eins der Ponys misshandeln zu müssen.«
»Und?«
Damian lächelte grimmig. »Am nächsten Tag kam sie in Begleitung ihres Daddys. Und der machte mir dann mehr deutlich als höflich klar, wer hier das Geld bezahlt und meinen Job sichert.«
»Na klasse.« Patricia verzog angewidert das Gesicht.
Damian hob die Schultern. »Du siehst also, wie die Sache ist. Wir haben keine Chance.«
»Also, ich würde auf das Geld von der dummen Kuh pfeifen«, stellte Patricia fest. »Was kann es denn groß für einen Unterschied machen, ob es nun eine mehr oder weniger ist, die ein paar Wochen lang zum Reiten kommt und danach eh nie wieder auftaucht?«
Damian rieb sich das Kinn. Er sah Patricia nicht an.
»So einfach ist es leider nicht«, sagte er dann. »Es sind nicht nur die paar Reitstunden in den Ferien, um die es geht.«
»Sondern?«
»Eigentlich ist es nicht richtig, wenn ich dir das erzähle.« Damian zögerte, doch dann gab er sich einen Ruck. »Das Problem ist, dass Emilys Vater im Vorstand der Bank sitzt, bei der die Kredite des Hofes laufen. Du verstehst, was das bedeutet, oder?«
Patricia verstand allerdings und das Herz wurde ihr schwer.
Es hieß, dass keiner hier Dallis oder die anderen Pferde schützen konnte. Oder wollte – wie man es eben betrachtete. Das Geld war wichtiger.
»Wir können nichts tun«, sagte Damian leise. »Wir, oder besser gesagt, die Ponys müssen eben Geduld haben und es aushalten, bis die Ferien vorbei sind . . .«
»Und in den nächsten Ferien?«
»Kommt sie wieder. Leider. So läuft das schon seit einigen Jahren, wir kennen das inzwischen zur Genüge. Allerdings«, fügte Damian mit traurigem Lächeln hinzu, »ist Emily früher nicht ganz so unangenehm gewesen. Erst seit etwa einem Jahr meint sie offenbar, sie dürfe sich alles erlauben.«
»Geld regiert die Welt«, murmelte Patricia mehr für sich, aber Damian nickte.
»Ja, so ist es wohl. Und weder du noch ich können etwas daran ändern.«
Patricia sah Dallis an. Die Stute blickte ihr so aufmerksam ins Gesicht, als ob sie verstanden hätte, worum es ging.
Doch Patricia hoffte, dass sie es nicht verstanden hatte.
Sie verstand es ja selbst nicht.
Traurig strich sie dem Pony über die Nüstern und erneut spürte sie den
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