Der Ruf der Pferde
Zeit nur darauf gewartet, ihm endlich zu begegnen.
War das die Liebe, von der alle redeten?
Sie wusste es nicht. Woher auch? Schließlich fühlte sie es zum ersten Mal.
Sie wusste nur, dass es ein wunderschönes Gefühl war und dass es mit jedem Mal, da sie heimlich zu Ethans Gesicht hinaufschaute, stärker aufwallte.
Sie begegnete Ethans Blick und las aus seinen Augen, dass er es genauso empfand.
Patricia merkte, wie sie verlegen wurde, und wandte ihr Gesicht rasch wieder ab. Doch die Gefühle tobten in ihr.
Sie zuckte nur kurz zusammen, als sie spürte, wie Ethan nach ihren Fingern tastete und sie sanft mit den seinen umschloss.
Hand in Hand legten sie das letzte Stück zurück.
Der Krankenwagen auf dem Parkplatz stand ein wenig durch einen Baum verdeckt, deshalb bemerkte ihn Patricia nicht sofort.
Erst Ethans verwundertes »Nanu, was ist denn da passiert?« ließ sie aufmerksam werden.
Patricia blieb wie erstarrt stehen.
Ihr war auf einmal eiskalt.
»Patricia?« Ethan betrachtete sie besorgt.
»Alles in Ordnung«, sagte sie mechanisch, doch nichts war in Ordnung. Der Anblick des Sanitätsfahrzeugs erfüllte sie mit einem unerwarteten Grauen, das sie nicht einzuordnen wusste. Sie merkte nicht, dass sie kreidebleich geworden war, und ihr war auch nicht bewusst, dass sie Ethans Hand losgelassen hatte.
»Patricia, was ist denn?«
Patricia hörte nicht, was Ethan sagte. Übelkeit stieg in ihr hoch. Die Erinnerung an einen anderen Vorfall, bei dem ein solcher Krankenwagen im Spiel gewesen war, überfiel sie mit aller Macht.
»Oh nein!« Ihre Stimme klang erstickt und sie presste ihre Hände vor ihren Mund, wie um das flaue Gefühl in ihrem Magen zurückzudrängen.
Dann rannte sie los.
»Patricia!«
Patricia schien Ethan völlig vergessen zu haben. Sie lief, als wäre der Teufel hinter ihr her.
»Verdammt«, murmelte Ethan, der sich hastig nach einer Anbindemöglichkeit für Sonny umsah. Er fand nichts, ließ den Braunen kurzerhand einfach auf dem Parkplatz stehen und sprintete Patricia hinterher.
Im Hof herrschte Trubel.
Eine ganze Schar Kinder verschiedener Altersstufen lümmelte herum und starrte mit sensationslüsternen Gesichtern Damian an, der in eine heftige Diskussion mit einem gut gekleideten Paar mittleren Alters verstrickt war. Im Hintergrund standen einige gesattelte Ponys am Haltebalken, doch keiner schien sich um die Tiere zu scheren. Das Geschrei zwischen den Erwachsenen war weitaus spannender. Dallis war nicht zu sehen, wie Patricia mit einem Blick feststellte.
Sie stoppte mitten im Hof. Ihr Atem ging heftig und in ihren Augen stand blanke Panik.
Ihr Blick war starr auf den Reitlehrer gerichtet und sie schien es überhaupt nicht zu registrieren, als Ethan einige Momente später ebenfalls auftauchte und sich neben sie stellte, als ob er sie beschützen müsste.
Damian selbst war ziemlich aus der Fassung.
Ein Wunder war es allerdings nicht, denn der Mann und die Frau, die ihm gegenüberstanden, bebten vor Wut. Genau genommen, bebte der Mann vor Wut, stellte Ethan fest. Seine Frau blieb stumm und nickte nur zu allem, was er sagte. Ihr Gesicht war kummervoll. Die beiden nahmen sich irgendwie unpassend aus in dieser Umgebung – Krawatte und Perlenkette gehörten schließlich nicht zum üblichen Outfit auf einem Reiterhof. Grinsen darüber war jedoch momentan nicht angebracht, das merkte jeder.
»Ich versichere Ihnen...« Damian bemühte sich sichtlich darum, seinen Tonfall zu beherrschen, aber es war ihm anzusehen, dass seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren.
Der Mann ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Sie können mir versichern, was Sie wollen, aber Tatsache ist, dass Sie offenbar nicht in der Lage sind, für die Sicherheit Ihrer Kunden zu sorgen!« Sein Ton war barsch. Zur Betonung seiner Worte stieß er aggressiv seinen Zeigefinger in Damians Richtung. Sein Gesicht wies eine puterrote Färbung auf und einen kleinen Moment vergaß Patricia die Umstände und hätte beinahe darüber gelacht, wie sehr er sich ereiferte.
Doch sie erkannte schnell, dass die Situation alles andere als lustig und der Mann offenbar ernsthaft entschlossen war, Damian und dem gesamten Reiterhof die größtmöglichen Schwierigkeiten zu bereiten.
»Mr MacLean, ich kann verstehen, dass . . .«, begann Damian, doch der Mann unterbrach ihn wieder.
»Wie schön, dass Sie so viel Verständnis haben!«, wütete er. »Ich sehe nur, dass Sie mit Ihren Aufgaben hier anscheinend überfordert sind. Sie schaffen
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