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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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dass sich Dallis nach und nach ein wenig beruhigte. Der panische Ausdruck verschwand aus ihren Augen, und obwohl sie immer noch zitterte, ließ sie es zu, dass das Mädchen behutsam näher trat.
    »Oh Dallis!«
    Patricias Stimme klang erstickt und auch Ethan spürte einen Kloß in seiner Kehle. Ob die Stute Patricia jetzt tatsächlich erkannte oder nicht, vermochte er nicht einzuschätzen. Doch dass dieses Tier über einen ungemein sanften Charakter verfügte, darüber bestand kein Zweifel. Trotz ihrer schlimmen Verfassung schien sie gar nicht auf die Idee zu kommen, auszuschlagen oder sich auf irgendeine andere Weise gegen die Menschen an ihrem Zufluchtsort zu wehren.
    Als sich nun Patricia vorsichtig ganz an Dallis heranschob und sanft die Hand auf ihren Hals legte, hielt sie ganz still. Nur ein Zittern lief durch ihren Leib.
    »Oh Dallis«, wiederholte Patricia beinahe unhörbar, und Ethan sah, dass ihre Augen voll Tränen standen, als die kleine Stute ihr den Kopf zuwandte, sie mit sanften dunklen Augen anblickte und dann ihre Nüstern an ihr rieb.
    »Ich muss sie trocken reiben«, stellte Patricia fest. »Sie kriegt sonst eine Lungenentzündung.« Immer und immer wieder hatte sie die kleine Stute gestreichelt und liebkost und es war geradezu rührend zu beobachten, wie Dallis sie mit der Nase anstieß, sobald sie aufhören wollte.
    Ethan nickte und schaute sich im Stall um.
    »Sind hier irgendwo Lappen?«
    »Dorthinten, im Schrank.« Patricia deutete ans Ende der Boxengasse, während sie fortfuhr, Dallis zu streicheln.
    »Das hier?« Ethan stand vor dem offenen Schrank und hielt ihr ein grobes Baumwolltuch entgegen.
    »Ja, genau. Danke!« Patricia nahm den Lappen und hielt ihn Dallis unter die Nase. »So, meine Süße, jetzt wirst du erst mal schön trocken gerubbelt!«
    Dallis schien einverstanden. Ethan lehnte sich über die Wand der Box und schaute zu, wie Patricia mit Sorgfalt das schweißbedeckte Fell der Stute abrieb.
    »Eigentlich sollte man sie richtig waschen und shampoonieren«, stellte Patricia nach einer Weile fest und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. »Das Fell ist fürchterlich verklebt.«
    »Hm, meinst du nicht, sie hatte für heute genug Aufregung?« Ethan machte ein zweifelndes Gesicht.
    »Stimmt auch wieder.« Patricia seufzte und ging in die Knie, um auch Dallis’ Bauchpartie zu säubern. Die Stute schien die Behandlung tatsächlich zu genießen, sie hielt ganz still, ihre Augen halb geschlossen und die Ohren entspannt nach hinten gedreht.
    Doch auf einmal hielt Patricia inne und Ethan hörte sie heftig die Luft einziehen.
    »Was ist?« Er reckte sich alarmiert.
    »Da!« Patricia rückte zur Seite, damit er besser sehen konnte, und deutete stumm auf eine Stelle an Dallis’ Flanke.
    Ethan erschrak, als er das halbe Dutzend frischer, zwar nicht sehr großer, aber tiefer Wunden erblickte, die man unter der klebrigen Schweißschicht bisher nicht hatte sehen können.
    Patricia stand auf, ging wortlos um die Stute herum und bückte sich prüfend.
    »Drüben auch?«, fragte Ethan, als sie sich mit steinerner Miene wieder aufrichtete. Sie nickte.
    Sie schauten sich nicht an, sondern betrachteten Dallis. Aber jeder wusste, was der andere in diesem Moment dachte.
    »Wenn ich die erwische«, sagte Patricia, »dann ramm ich ihr diese verdammten Dinger in den Bauch.«
    »Und ich halt sie für dich fest«, erwiderte Ethan.
    Ihre Blicke trafen sich.
    »Ich muss weitermachen«, sagte Patricia nach einem langen Moment mit etwas rauer Stimme und hob den Lappen wieder auf.
    »Ja.« Ethan atmete tief durch. »Kann ich dir vielleicht helfen?«, fragte er dann und dachte leicht beschämt, dass ihm dieser Einfall eigentlich schon eher hätte kommen können.
    »Ja, könntest du mir bitte einen frischen Lappen holen?« Patricia wies auf den gerade benutzten. »Der hier ist schon total nass und schmutzig.«
    »Klar.« Ethan ging zum Schrank und kramte darin herum. »Bist du sicher, dass hier noch mehr sind?«, fragte er dann zweifelnd. »Ich seh nämlich keinen.«
    »Keine Ahnung, ich hab bisher immer nur einen gebraucht. War dieser hier wirklich der einzige?«
    »Sieht so aus.« Ethan durchwühlte noch einmal alle Fächer. Erfolglos gab er schließlich auf, drehte sich um und ließ seinen Blick prüfend durch den Stall wandern.
    »Hm«, meinte er mit gerunzelter Stirn. »Scheint echt nichts mehr in der Art da zu sein.«
    »Mit dem hier kann ich aber nichts mehr anfangen.« Patricia musterte das

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