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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Beyrichen
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sich zwei große Plastikflaschen Wasser heraus, mehr passten nicht in ihren Rucksack. Natürlich war sie sich darüber im Klaren, dass die Menge nicht reichen würde, sie hoffte aber, dass sie unterwegs an Bächen oder dergleichen vorbeikam, an denen sie die Flaschen wieder auffüllen konnte.
    Auch was sie an Kleidung einpacken sollte, hatte Patricia einiges Kopfzerbrechen gekostet. Der Rucksack bot nicht viel Stauraum und das Essen war wichtiger als die Sauberkeit. Endlich beschloss sie, sich auf eine Garnitur Wäsche zum Wechseln, ein Ersatz-T-Shirt und einen zusätzlichen Pullover zu beschränken. Sie würde unterwegs sowieso kaum dazu kommen, sich groß zu waschen, deshalb sollte mit den Sachen auszukommen sein. Sie entschied, auch noch die Wolldecke, die im Schrank in ihrem Zimmer lag, mitzunehmen. Die Nächte waren kühl, selbst jetzt im Hochsommer, das wusste Patricia, und eigentlich war eher ein Schlafsack angeraten, doch ihr Schlafsack lag zu Hause in Edinburgh. Die Decke musste reichen, sie hatte ohnehin keine Ahnung, wie sie das ganze Zeug schleppen sollte.
    Mit einem Gürtel band Patricia die Decke oben auf den vollgepferchten Rucksack und stöhnte stumm auf, als sie ihn schließlich auf ihren Rücken hob. Himmel, war das Ding schwer! Die Konserven und das Wasser, natürlich, aber sie konnte sich nicht leisten, darauf zu verzichten. Im letzten Moment fiel Patricia siedend heiß ein, dass ihr die Dosen ohne Büchsenöffner nichts nützten, und sie verlor weitere kostbare Minuten damit, in den verschiedenen Küchenschubladen nach einem zu suchen.
    Was Mrs Dench zu ihrem Beutezug sagen würde, wagte sich Patricia lieber nicht vorzustellen. Dass es sich im Grunde um Diebstahl handelte, war ihr bewusst und sie fühlte sich ziemlich mies dabei. Vor allem deshalb, weil sich ihre Eltern für sie schämen würden. Dieser Gedanke war für Patricia der schlimmste. Für die beiden musste ihr Verschwinden ohnehin schon schrecklich genug sein, sie sorgten sich garantiert zu Tode. Darüber gab sich Patricia keinen Illusionen hin und sie wünschte, sie könnte ihnen wenigstens ersparen, ihre Tochter auch noch als Diebin bezeichnet zu hören. Doch es gab keine andere Möglichkeit. Bis morgens im Dorf der Laden öffnete, musste sie bereits lange fort sein.
    Im Dunkeln sah der Feldweg irgendwie ganz fremd aus. Patricia dachte eine kleine Weile darüber nach, warum sie sich eigentlich nicht fürchtete. Immerhin wanderte sie hier ganz allein durch die Nacht, da konnte doch alles Mögliche geschehen! Andererseits – was sollte denn passieren? Eine Gefahr ging immer nur von den Menschen aus und hier in den Hügeln begegnete sie nachts sowieso niemandem. Sie durfte sich garantiert sicherer fühlen als auf einem Nachtmarsch in den Straßen von Edinburgh, erkannte Patricia. Erst in diesem Augenblick wurde ihr so richtig bewusst, was ihr an jenem Abend damals alles hätte zustoßen können. Sie hatte tatsächlich mehr Glück als Verstand gehabt, gestand sie sich ein. Bei der Erinnerung daran überkam sie Übelkeit und sie blieb stehen, um tief Luft zu holen.
    Der Moment ging vorüber und Patricia schob ihren Rucksack zurecht und ging weiter. Er war wirklich schwer, trotz ihrer gefütterten Windjacke spürte sie, wie die Tragegurte in ihre Schultern einschnitten.
    Die Ponys auf der Koppel waren nur als schemenhafte Gestalten erkennbar, als Patricia an ihnen vorbeischritt. Sie blieb nicht stehen, sie hatte mit der Sucherei in der Küche ohnehin schon zu viel Zeit verloren und musste sich beeilen.
    Endlich lag der Hof vor ihr.
    Patricia atmete auf, aber der nächste Schreck traf sie augenblicklich. Da brannte Licht! Schlief Silas etwa nicht?
    Patricia stöhnte auf. Um diese Uhrzeit hätte sie mit solchen unerwarteten Schwierigkeiten nicht gerechnet. Wenn sie Pech hatte, fiel nun ihr ganzer Plan ins Wasser. Aber das durfte nicht sein, es war Dallis’ letzte Chance! Es musste einfach klappen!
    Vorsichtig trat sie ans Tor und stellte fest, dass das Licht nur von einer Außenlaterne herrührte, die offenbar die ganze Nacht brannte. Sämtliche Fenster des Wohnhauses waren hingegen dunkel.
    Gott sei Dank, dachte Patricia. Jetzt aber schnell!
    Als sie nach der Klinke der Stalltür griff, überkam sie urplötzlich eine neue Sorge: Was, wenn der Stall nachts verschlossen war? Helen sperrte ihre Gebäude über Nacht immer ab, nachdem sie einmal morgens einen Stadtstreicher aus einer leeren Box hatte verjagen müssen und ein anderes Mal zu

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