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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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dem Teufel paktiert zu haben. Sie zerrten ihr den heiligen Mondstein vom Hals, und ich musste mit schmerzendem Herzen mit anhören, wie Reverend Oates meine Mutter und meinen unschuldigen Bruder Isaac zum Tod durch Verbrennen inmitten des Druidentempels verurteilte. Anschließend sollten die wunderbaren Steine umgestoßen und zusammen mit der Asche der beiden am 4. Juli 1692 begraben werden …
    Der Brief war noch nicht zu Ende, doch die Frau nahm Peter das Buch aus der Hand. Sie murmelte undeutlich, dass die Frau des Reverends Lydia aus Mitleid zu sich genommen hätte. Später lebte Lydia dann bei ihrem Cousin, bis sie einen Indianer namens Moses heiratete. Moses und Lydia durften als Pächter auf die Insel zurückkehren.
    Peter hörte kaum zu. »Ich verstehe es nicht«, flüsterte er leise vor sich hin. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr.«
    »Ihre Asche war noch warm, als sie die Steine begraben haben.«
    Peter hob die Laterne hoch und betrachtete erneut die Radierung. Die Priesterin trug ein langes Gewand wie die Druiden. Unter dem Geweih-Kopfschmuck war langes Haar zu erkennen, und das Messer in ihrer Hand schwebte hoch in der Luft. Ihr Mund war verkniffen. »Sie opfert ein Kind.«
    »Das ist Ezra Bodwells Messer – nicht das von Brigid Mocnessa.« Die Frau runzelte finster die Stirn. »Sie hat niemanden getötet, aber jedermann sollte es glauben.«
    »Warum haben sie sie dann hingerichtet?«
    »Weil sie dumm waren. Dumm und voller Angst.«
    »Angst wovor?«
    »Brigid war anders. Sie hat der Macht der Steine mehr vertraut als dem Gott dieser Leute.«
    »Sie haben sie eine Hexe genannt und sie beschuldigt, Böses getan und ein Kind des Teufels gesäugt zu haben.«
    Überrascht neigte die Frau den Kopf. »Und woher wissen Sie alle diese Einzelheiten?«
    »Ich habe alles geträumt, aber ich verstehe nicht, wie das möglich war.«
    »Der Ort auf der Klippe hat magische Kräfte. Ihr Unterbewusstsein hat das gespürt und Ihnen diese Bilder gezeigt.«
    Er nickte. »In meinem Traum wurde sie verurteilt, weil Zeugen behaupteten, dass sie mit den Toten gesprochen hätte.«
    »Sie war die Hüterin der Flamme«, erklärte die alte Frau. Mit diesen Worten trug sie die Lampe nach hinten und füllte aus einem großen Kanister neues Kerosin nach.
    Die Hüterin der Flamme.
    Sein Traum war nicht weniger real als die Behauptungen dieser Frau, die Radierung oder das Tagebuch. Diese Realität war ihnen beiden gemeinsam – aber Erklärungen hatte er keine. Die waren ihm längst abhanden gekommen.
    Nach diesen Aufzeichnungen waren Hatchers Grundsteine einer kleinen Kapelle in Wirklichkeit die Überreste eines keltischen Steinkreises, in dem vor drei Jahrhunderten eine Vorfahrin dieser Frau von Einwanderern wegen Hexerei verbrannt worden war. Dank zahlloser Berichte aus dieser Zeit wusste Peter jedoch mit Sicherheit, dass keiner, der damals der Hexerei überführt worden war, zur Strafe verbrannt worden war. Während der Verfolgung im Jahr 1692 wurden neunzehn Bewohner von Massachusetts der Hexerei überführt – achtzehn wurden gehenkt, und ein Mann wurde zum Kriegsdienst gepresst. Aber verbrannt wurde niemand. Das stand fest. Dennoch hatte man die Hexenprozesse in Salem nur gar zu gern mit früheren, in Europa üblichen Exzessen in Verbindung gebracht. Falls eine gewisse Brigid Mocnessa tatsächlich auf dem Scheiterhaufen geendet war, dann ohne Genehmigung der staatlichen Justiz, und natürlich existierte in diesem Fall auch keine offizielle Aufzeichnung.
    Als die Frau ein Streichholz anzündete, flammte in Peters Erinnerung unwillkürlich wieder das Bild der gehörnten Gestalt mit Wünschelrute auf. Sie ist verrückt, sagte er sich. Und ich ebenfalls, wenn ich solche Geschichten träume.
    Lindas Präsenz dagegen stand für ihn zweifelsfrei fest. Er hatte ihre Gegenwart genau gespürt, und er hatte ihre Stimme gehört, so sicher, wie er atmete. Erklären konnte er das allerdings nicht. War Linda tatsächlich mit Hilfe ihres unglaublich starken Willens aus der anderen Welt zurückgekehrt und hatte ihn in ein neues Leben geführt? Durch diese übernatürliche Erfahrung, wie sie sonst nur Propheten oder Heilige erlebten? War dies sein Schicksal – sein Karma? Je länger er darüber nachdachte, desto überzeugter war er. Ja, es war sein Karma, das sich ihm durch Vorahnungen, Träume und erschreckende Einsichten angekündigt hatte. Während der letzten Tage oder vielleicht sogar schon während seines gesamten Berufslebens

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