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Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
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Ihren Kopf zu beherrschen und Sie Dinge tun zu lassen, die Sie später bereuen könnten. Sie möchte zurückkommen, weil man ihr das angetan hat.«
    Peter nickte. »Wir werden schon aufpassen«, sagte er, aber insgeheim dachte er: Die arme Alte wird so von ihren Vorstellungen beherrscht, dass sie gar nicht merkt, was in Wirklichkeit vor sich geht. Wie sollte sie auch? Wie sollte eine einsame Gestalt wie sie ermessen, dass es Liebe gab, die sogar die Sterblichkeit überwand?
    Peter jedoch wusste es. Linda hatte ihn als Zeichen ihrer Vergebung zu den Steinen geführt. Selbst die Träume hatten nur der Vorbereitung auf die kommenden Ereignisse gedient. Von dem Tag an, als er zum ersten Mal seinen Fuß auf Kingdom Head gesetzt hatte, hatte sie ihn geleitet – wie Beatrice Dante durch die Abgründe der Hölle geführt hatte. Zugegeben, mit Connie war sie ziemlich grob umgesprungen, aber Linda war schon immer ziemlich eifersüchtig gewesen. Wie die alte Frau ganz richtig gesagt hatte, gab es Dinge, die niemals starben. Das größte Problem war seine Begriffsstutzigkeit gewesen. Er hatte die Zeichen falsch gedeutet und viel zu wissenschaftlich analysiert. Schlimmer noch – er hätte sie beinahe missdeutet und ihnen auch noch üble Absichten unterstellt. Wie sehr hatte er sich doch geirrt.
    Diese Erkenntnis grenzte an Epiphanie. Nein, sie war es, und sonst nichts. Manchmal wurden Träume wahr. Diese Steine bedeuteten, dass ihm die Schuld, die ihn zweieinhalb Jahre lang gequält hatte, vergeben war. Die Ausgrabung war die Entschädigung für alle Qualen.
    Natürlich. So einfach war das. So einfach und klar. Es gab keine alte Hexe, die mit ihm sprach und ihm verrückte Sachen zeigte – nein, es war Linda. Sie war zurückgekehrt.
    Sie war wieder da, und sie war ganz nahe.
    Er nickte zum Abschied und ging der Morgendämmerung entgegen.

 

    23
    »Im sechsten Jahrhundert? Das ist unmöglich«, sagte Connie.
    »Inzwischen halte ich nichts mehr für unmöglich.«
    Peter hatte den anderen von der vergangenen Nacht erzählt – von Hannah Mac Ness, von ihrem Tanz auf der Klippe, vom Wettlauf durch den Eichenwald, von der Rettung aus dem Sumpf, von der Radierung und von dem Tagebuch. Natürlich wollte anfangs niemand die Behauptungen der Frau auch nur in Erwägung ziehen, doch je ausführlicher Peter alles schilderte, desto unsicherer wurden sie.
    »Glaubst du wirklich, dass ihre Vorfahren tonnenschwere Felsen auf Schiffe gepackt haben und damit über den Atlantik gesegelt sind?«, fragte Sparky ungläubig.
    »Das hat sie ja nicht behauptet. Außerdem bestehen die Steine aus Granit, der sich hier in der Gegend findet.« Er deutete nach Quincy hinüber, wo dieser Stein schon seit Jahrhunderten gebrochen wurde. »Entsprechend der Eintragung im Tagebuch datiert sie die Einwanderung lediglich um tausend Jahre nach hinten. Offenbar sind ihre Vorfahren hierher geflüchtet, um der Christianisierung zu entgehen.«
    »Also zur Zeit von St. Patrick?«, fragte Connie.
    »Richtig«, sagte Peter. »Er starb um vierhundertfünfzig oder vierhundertsechzig – jedenfalls ziemlich zeitgleich mit der Bekehrung Irlands zum Christentum.«
    »Offenbar war es keine sehr friedliche Bekehrung.«
    »Das ist sicher richtig. Irland wurde damals von Stämmen beherrscht und stand noch unter römischer Verwaltung. Für die unterdrückten Menschen bedeutete das Christentum die Erlösung und den ersten Anflug von Demokratie, und entsprechend begeistert nahmen sie die neue Religion an. Die keltische Aristokratie und die Druidenpriester dagegen sahen ihre Stellung gefährdet und lehnten das Christentum ab. Aufstände waren die Folge.« Peter war bester Stimmung und dozierte begeistert.
    »Also setzten einige von ihnen Segel und errichteten an dieser Küste einen Steinkreis nach der Tradition ihrer Vorfahren.«
    »Gleichzeitig entgingen sie so auch der Verfolgung durch die Römer. Auch eine Art Hexenjagd, nicht wahr?« Peter lachte amüsiert.
    »Sie machten es wie die Pilgerväter – nur umgekehrt. Die Wiedergeburt der Heiden.«
    Peter lachte. »Das gefällt mir.«
    »Für mich klingt das alles ziemlich unglaubwürdig«, bemerkte Connie.
    »Das ist verständlich, aber du hast die Radierung nicht gesehen. Ich halte sie für echt, und das Tagebuch auch.«
    »Das mag ja sein. Trotzdem bezweifle ich, dass im sechsten Jahrhundert Kelten nach Amerika ausgewandert sind.«
    »Da uns die Beweise fehlen«, sagte Peter, »wird diese Frage bis zum zweiten Abschnitt der

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