Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Steine

Der Ruf der Steine

Titel: Der Ruf der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Goshgarian
Vom Netzwerk:
Traumreise.
    Er betastete die Kette, die Linda ihm geschenkt hatte. Das Metall fühlte sich kühl an, ebenso das Glas über dem Bild.
    »Als Datum ist 1692 angegeben.«
    »In diesem Jahr haben sie die Steine umgestürzt und die Frau verbrannt.«
    »Welche Frau?«
    Sie berührte das Glas mit dem Finger. »Brigid. Meine arme Brigid Mocnessa.«

 

    22
    »Brigid Mocnessa?«
    »So hieß sie, bevor ihr Name in Mac Ness geändert wurde.« Lange starrte Peter auf die Schrift.
    Brigid Mocnessa. Die Silben hallten in seinem Kopf wider. Er rieb sich die Stirn, als ob das den Frontallappen seines Gehirns aktivieren könnte. Ja, ich träume das alles.
    Träge wie eine Luftblase stieg ein anderer Gedanke zur Oberfläche empor. Dies ist KEIN Traum. Ich bin verrückt. Rein physisch gesehen lebe ich, aber mein Inneres ist tot. Ein totaler Zusammenbruch der Synapsen. Womöglich wälze ich mich gerade in meinen Cornflakes oder nuckle an meinem großen Zeh.
    Wieder verschwand die Frau im dunklen Teil des Schuppens. Es war totenstill. Sie machte keinerlei Geräusch, und Peter auch nicht. Die Radierung hielt er noch immer in der Hand.
    In seinem Traum hatte er alles gesehen – die Frau, die Verhandlung, die Verurteilung und die Steine. »Du gibst also zu, dass dies ein Tempel dämonischer Kräfte ist.«
    Ein Steinkreis.
    Selbst wenn alles auf Einbildung beruhte, wenn sich Berichte in alten Urkunden und örtliche Besonderheiten zu einem Knäuel unglaublicher Zufälle zusammenfügten – den Namen Brigid Mocnessa konnte er unmöglich auf diese Weise erfahren haben. In keiner der Aufzeichnungen und Überlieferungen, die er studiert hatte, war er auf diesen Namen gestoßen. Er hatte unendlich viele Namen gelesen – aber diesen mit Sicherheit nicht.
    Die alte Frau schlurfte wieder zurück ins Licht. In der Hand trug sie eine Art Tagebuch, das sorgfältig in Plastikfolie eingewickelt war. Sie öffnete es an einer markierten Stelle und hielt es in den Schein der Lampe.
    Eine zarte Handschrift in rötlich brauner Tinte füllte die verblassten Seiten. An manchen Stellen hatte die Tinte kleine Flecken hinterlassen, und ab und zu wirkte die Schrift etwas zittrig. Aber Peter konnte entziffern, dass es sich um einen Brief an einen »Liebsten Cousin« handelte. Als Datum war der 17 Juli 1692 angegeben. Der Brief umfasste drei Seiten und war mit Lydia Mocnessa unterzeichnet.
    »Sie war ihre einzige Tochter, Brigids Tochter, nachdem sie den Sohn getötet hatten. Sie war damals vierzehn.«
    »Wie hieß der Sohn?«
    »Isaac. Er war noch ein Baby und wurde zusammen mit seiner Mutter verbrannt. Sie können es ja selbst lesen.«
    Seine Augen überflogen die Zeilen:
    Nach Mitternacht wurde ich durch unglaubliches Hämmern an der Tür und durch das Geschrei meiner Mutter geweckt. Ich erinnere mich, dass Caleb Herrick als Erster hereinstürmte, als meine Mutter die Tür öffnete und wissen wollte, was der Lärm zu bedeuten hätte. Abel Badger und William Biddle folgten ihm auf dem Fuß. Caleb Herrick packte nur wortlos den Arm meiner Mutter und Abel Badger den anderen. Sie zerrten sie aus dem Haus in die Nacht hinaus, und ich konnte hören, wie sie laut protestierte und sagte, dass sie nichts verbrochen hätte. Ich muss dir nicht sagen, liebster Cousin, wie sehr es mich geängstigt hat, als die Männer einfach so in unser Haus eingedrungen sind und meine Mutter ohne Erklärung fortgeschleppt haben. Als ich ihnen nachgelaufen bin, hat Caleb Herrick sich umgedreht und gesagt, dass sich meine Patentante Oates, die Frau von Reverend Jeremiah Oates aus Boston, um mich und mein Seelenheil kümmern würde.
    Etwas in seinem Kopf schlug Alarm: Jeremiah Oates, William Biddle, Caleb Herrick – alles Namen aus seinem Traum.
    Erst dann hat Caleb Herrick gesagt, dass meine Mutter eine Hexe und für unnatürliche Geschehnisse und teuflische Machenschaften in New England verantwortlich sei. Als ich ins Haus zurücklief, sah ich, wie William Biddle das Baby Isaac stahl und in der Nacht verschwand. Das Baby war nackt und hat schrecklich geschrien. Ich bat ihn, meinen unschuldigen Bruder zu verschonen, aber er hat nicht auf mich gehört. Völlig verwirrt und voller Angst bin ich ihm gefolgt. Es war so entsetzlich, dass ich es kaum schildern kann. Sie schleppten meine Mutter in den Steinkreis auf dem Druid’s Head, und ich wurde Zeuge, wie die Versammlung der Einwohner Beweise gegen meine Mutter wegen verbotener Zauberei vorbrachte und sie beschuldigte, im Steinkreis mit

Weitere Kostenlose Bücher