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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Trauergesanges zu begleiten.
    Jamie fuhr langsam und rief ab und zu den Pferden ein paar anfeuernde Worte zu; Duncan stolperte heiser singend neben dem Gespann her und klammerte sich an das Halfter des einen Pferdes, während Ian das andere festhielt, damit es nicht durchging. Fergus hatte den neu erstandenen Spaten geschultert und prophezeite düster, daß wir noch die Nacht im Gefängnis verbringen müßten, weil wir die nächtliche Ruhe von Charleston gestört hatten.
    Doch die Kirche stand in einer ruhigen Straße in einigem Abstand vom nächsten Haus. Das war gut, denn wir wollten ja keine Aufmerksamkeit erregen, doch es bedeutete auch, daß der Kirchhof beängstigend dunkel war und weder von Kerze noch Fackel erleuchtet wurde.
    Große Magnolienbäume streckten ihre Äste über das Tor, ihre ledrigen Blätter schlaff vor Hitze, und eine Reihe Kiefern, die tagsüber Schatten und Zuflucht bieten sollte, schloß nachts auch die letzte Spur von Mond- und Sternenschein aus, so daß der Kirchhof in das Schwarz… nun, einer Grabkammer getaucht war.
    Wenn man durch diese Luft ging, war es, als schöbe man Vorhänge aus schwarzem Samt beiseite, die durchdringend nach dem Terpentin der sonnenerhitzten Kiefern dufteten: lauter erdrückende Duftwolken. Nichts hätte der kalten Klarheit der Highlands unähnlicher sein können als diese drückende Atmosphäre des Südens. Dennoch - am Fuß der dunklen Ziegelmauern hingen schwache Nebelschwaden, und ich wünschte mir, Jamie hätte die Geschichte vom tannasq nicht ganz so farbenfroh erzählt.

    »Wir suchen uns eine Stelle. Bleib hier und halt die Pferde, Duncan.« Jamie glitt von der Sitzbank des Wagens und nahm mich beim Arm.
    »Vielleicht finden wir ein schönes Plätzchen an der Mauer«, sagte er und führte mich zum Tor. »Ian und ich graben, während du das Licht hältst, und Fergus kann Wache stehen.«
    »Was ist mit Duncan?« fragte ich und sah zurück. »Alles in Ordnung mit ihm?« Der Schotte war unsichtbar, sein großer, dürrer Körper war mit dem größeren Fleck verschmolzen, der die Pferde und den Wagen andeutete, doch man konnte ihn immer noch deutlich hören.
    »Er ist unser Zeremonienmeister«, sagte Jamie mit der Spur eines Lächelns in der Stimme. »Paß auf deinen Kopf auf, Sassenach.« Ich duckte mich automatisch unter einem tiefhängenden Magnolienzweig durch. Ich wußte nicht, ob Jamie wirklich im Dunkeln sehen konnte oder ob er die Hindernisse nur instinktiv erspürte, jedenfalls hatte ich ihn noch nie stolpern sehen, egal, wie dunkel es um ihn herum war.
    »Meinst du nicht, daß ein frisches Grab den Leuten auffallen wird?« Es war doch nicht völlig schwarz auf dem Kirchhof; nachdem ich einmal aus dem Dunkel der Magnolien getreten war, konnte ich die verschwommenen Formen von Grabsteinen ausmachen, schattenhaft, aber unheimlich in der Dunkelheit. Ein schwacher Nebel stieg aus dem dichten Gras an ihrem Sockel auf.
    Meine Fußsohlen prickelten, als wir uns vorsichtig einen Weg zwischen den Steinen bahnten. Mir war, als schlügen mir von unten unsichtbare Wellen des Tadels über unser unschickliches Eindringen entgegen. Ich stieß mir das Schienbein an einem Grabstein und biß mir auf die Lippen, weil ich das Bedürfnis unterdrücken mußte, mich bei seinem Eigentümer zu entschuldigen.
    »Kann schon sein.« Jamie ließ meinen Arm los, um in seinem Rock herumzukramen. »Aber wenn der Priester Geld dafür haben wollte, Gavin zu beerdigen, wird er sich kaum die Mühe machen, ihn umsonst wieder auszugraben, aye?«
    Ian jagte mir einen Schrecken ein, indem er aus dem Nichts neben mir auftauchte.
    »An der Nordmauer ist noch Platz, Onkel Jamie«, sagte er leise, obwohl es offensichtlich war, daß niemand da war, der ihn hätte hören können. Er hielt inne und kam näher zu mir.
    »Ziemlich dunkel hier, oder?« Der Junge hörte sich angespannt an. Er hatte fast so viel getrunken wie Jamie oder Fergus, aber während der Alkohol die älteren Männer mit grimmigem Humor erfüllt hatte, hatte er Ians Lebensgeister eher erlahmen lassen.

    »Das stimmt, aye. Ich habe aber einen Kerzenstumpf aus der Wirtschaft, warte einen Augenblick.« Leises Geraschel kündete von Jamies Suche nach Feuerstein und Zunderschachtel.
    Die Dunkelheit um mich herum gab mir das Gefühl, körperlos, selbst ein Geist zu sein. Ich blickte nach oben und sah ein paar Sterne, die so schwach durch die dicke Luft leuchteten, daß sie kein Licht auf den Boden warfen, sondern nur ein Gefühl

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