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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zurückkommen, wenn du hier bist? Und wie kommst du zurück, wenn ich hier bin?«
    Er erstarrte. Vergessen waren Angst und Wut, und seine Hände krampften sich fest um ihre Handgelenke, damit sie ihn nicht wieder schlagen konnte.
    »Deswegen? Deswegen wolltest du es mir nicht sagen? Weil du mich liebst ? Lieber Himmel!«
    Er ließ ihre Handgelenke los und legte sich auf sie. Er tastete mit beiden Händen nach ihrem Gesicht und versuchte, sie erneut zu küssen. Ihre Hüften kreisten plötzlich herum, und sie schwang zu beiden Seiten die Beine hoch, nahm ihn fest in die Schere und quetschte ihm die Rippen.

    Er drehte sich um, brach ihre Umklammerung auf und rollte sich mit ihr herum. Er kam auf dem Rücken zu liegen, und sie saß auf ihm. Er fuhr ihr mit der Hand in die Haare und zog keuchend ihr Gesicht zu sich herunter.
    »Aufhören«, sagte er. »Himmel, was ist das hier, ein Ringkampf?«
    »Laß meine Haare los.« Sie pendelte mit dem Kopf hin und her und versuchte, ihn abzuschütteln. »Ich hasse es, wenn mich jemand an den Haaren zieht.«
    Er ließ ihre Haare los und wanderte mit seiner Hand der Länge nach an ihrem Hals hinauf, die Finger um ihren schlanken Nacken gelegt, einen Daumen auf dem Puls in ihrer Kehle. Er klopfte wie ein Hammer, genau wie sein eigener.
    »Na gut, wie ist’s denn mit Würgen?«
    »Mag ich auch nicht.«
    »Ich auch nicht. Nimm deinen Arm von meinem Hals, aye?«
    Ganz langsam sank ihr Gewicht nach hinten. Er war immer noch kurzatmig, aber nicht, weil sie ihm die Luft abgeschnitten hatte. Er hätte ihren Hals am liebsten nicht losgelassen. Nicht, weil er Angst hatte, daß sie wieder auf ihn losgehen würde, sondern weil er es nicht ertragen konnte, den Kontakt mit ihr zu verlieren. Es hatte zu lange gedauert.
    Sie hob die Hand und ergriff sein Handgelenk, zog es aber nicht fort. Er spürte, wie sie schluckte.
    »Na gut«, flüsterte er. »Sag es. Ich will es hören.«
    »Ich… liebe… dich«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen. »Kapiert?«
    »Aye, ich hab’s kapiert.« Er nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände, ganz sanft, und zog sie herunter. Sie gab nach; ihre Arme zitterten, und sie ließ ihn unter sich los.
    »Sicher?« sagte er.
    »Ja. Was machen wir bloß?« sagte sie und fing an zu weinen.
    »Wir.« Sie hatte wir gesagt. Sie hatte gesagt, sie war sich sicher.
    Roger lag im Staub der Straße, verkratzt, schmutzig und halbverhungert, neben einer Frau, die sich zitternd an seiner Brust ausweinte und ihm ab und zu einen kleinen Fausthieb versetzte. Er war noch nie in seinem Leben so glücklich gewesen.
     
    »Psst«, flüsterte er, während er sie sanft wiegte. »Ist ja gut; es gibt noch einen Weg. Wir kommen schon zurück; ich weiß, wie. Mach dir keine Sorgen, ich paß auf dich auf.«
    Schließlich war sie erschöpft und lag still in seiner Armbeuge,
schniefend und hicksend. Auf der Vorderseite seines Hemdes war ein großer, feuchter Fleck. Die Grillen im Baum, die bei dem Aufruhr erschrocken verstummt waren, nahmen nach und nach ihren Gesang wieder auf.
    Sie befreite sich, setzte sich auf und tastete in der Dunkelheit herum.
    »Ich buß bir die Dase putzen«, sagte sie belegt. »Hast du ein Taschentuch?«
    Er gab ihr den feuchten Stoffetzen, den er dazu benutzte, sich das Haar zurückzubinden. Sie machte Schniefgeräusche, und er lächelte im Dunkeln.
    »Du hörst dich an wie eine Dose Rasierschaum.«
    »Und wann hast du zum letzten Mal eine gesehen?« Sie legte sich wieder auf ihn, legte ihren Kopf in die Rundung seiner Schulter und langte herauf, um sein Kinn zu berühren. Er hatte sich vor zwei Tagen rasiert; seitdem hatte er weder Zeit noch Gelegenheit dazu gehabt.
    Ihr Haar roch immer noch schwach nach Gras, aber nicht mehr nach künstlichen Blumen. Es mußte ihr natürlicher Geruch sein.
    Sie seufzte tief und legte ihren Arm fester um ihn.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte nicht, daß du mir hinterherkommst. Aber… Roger, ich bin schrecklich froh, daß du hier bist.«
    Er küßte sie auf die Stirn; sie war feucht und salzig vom Schweiß und von den Tränen.
    »Ich auch«, sagte er, und für den Augenblick kamen ihm alle Strapazen und Gefahren der letzten beiden Monate unbedeutend vor. Alle, außer einer.
    »Wie lange hattest du es geplant?« fragte er. Wahrscheinlich hätte er es ihr auf den Tag genau sagen können. Seit ihre Briefe angefangen hatten, sich zu verändern.
    »Oh… ungefähr sechs Monate«, sagte sie und bestätigte seine Schätzung.

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