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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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lächelte ihm zögernd zu.
    Er blinzelte, und schließlich wandten sich seine Augen von ihrem Gesicht ab, betrachteten langsam ihre Erscheinung und realisierten - mit einem Ausdruck, der ihr wie erneutes Erschrecken vorkam - ihre Größe.
    »Mein Gott«, krächzte er. »Du bist ja riesig .«
    Ihre Röte hatte nachgelassen, doch jetzt kehrte sie um so heftiger zurück.
    »Und was meinst du wohl, wessen Schuld das ist?« schnappte sie. Sie richtete sich kerzengerade auf und sah ihn erbost an. Aus dieser Nähe und zu voller Größe aufgerichtet konnte sie ihm direkt ins Auge sehen, und das tat sie auch.

    Er fuhr zurück, und jetzt veränderte sich sein Gesicht; die Maske löste sich in Verblüffung auf. Ohne sie sah er jünger aus; darunter lagen Erschrecken, Überraschung, und ein aufkeimender Ausdruck halb qualvoller Sehnsucht.
    »Och nein, Schätzchen!« rief er aus. »So habe ich es doch gar nicht gemeint! Es ist nur…« Er brach ab und hielt seinen Blick voll Faszination auf sie gerichtet. Seine Hand erhob sich wie von selbst und zeichnete in der Luft die Umrisse ihrer Wange, ihres Kinns, ihres Halses und ihrer Schulter nach, voller Scheu, sie direkt zu berühren.
    »Ist es wahr?« flüsterte er. »Du bist es, Brianna?« Er sprach ihren Namen mit einem seltsamen Akzent aus - Brie anah - und sie erschauerte bei seinem Klang.
    »Ich bin’s«, sagte sie ein bißchen heiser. Sie versuchte ein weiteres Lächeln. »Kannst du das nicht sehen?«
    Sein Mund war breit, die Lippen voll, doch er war anders als der ihre; breiter, kühner geschnitten, und in seinen Winkeln schien sich noch im Zustand der Entspannung ein Lächeln zu verbergen. Im Augenblick zuckte er, unsicher, was er tun sollte.
    »Aye«, sagte er. »Aye, das kann ich.«
    Dann berührte er sie doch, zog leise mit den Fingern über ihr Gesicht, strich ihr die roten Locken von Schläfe und Ohr zurück und fuhr die feine Kante ihres Kinns nach. Wieder erschauerte sie, obwohl seine Berührung spürbar warm war; sie spürte die Hitze seiner Handfläche auf ihrer Wange.
    »Ich hatte mir dich nicht als Erwachsene vorgestellt«, sagte er und ließ widerstrebend die Hand sinken. »Ich habe die Bilder gesehen, aber trotzdem - in meinen Gedanken bist du immer ein kleines Mädchen gewesen - mein Baby. Ich hätte nie erwartet…« Seine Stimme verstummte, als er sie anstarrte, mit Augen, die den ihren glichen, tiefblau mit dichten Wimpern, vor Faszination aufgerissen.
    »Bilder«, sagte sie, atemlos vor Glück. »Du hast Bilder von mir gesehen? Also hat Mama dich gefunden? Als du gesagt hast, du hättest eine Frau zu Hause…«
    »Claire«, unterbrach er sie. Der breite Mund hatte seinen Entschluß gefaßt; er brach in ein strahlendes Lächeln aus, das seine Augen erleuchtete wie die Sonne zwischen den tanzenden Blättern. Er packte sie an den Armen, so fest, daß sie erschrak.
    »Dann hast du sie noch gar nicht gesehen? Himmel, sie wird außer sich sein vor Freude!«
    Der Gedanke an ihre Mutter überwältigte sie. Ihre Gesichtszüge entgleisten, und die Tränen, die sie seit Tagen zurückgehalten hatte,
ergossen sich in einer Flut der Erleichterung über ihre Wangen, die ihr fast den Atem verschlug, während sie gleichzeitig lachte und weinte.
    »Aber, Kleine, weine doch nicht!« rief er alarmiert aus. Er ließ ihren Arm los und zog ein großes, zerknittertes Taschentuch aus seinem Ärmel. Er drückte es zögernd gegen ihre Wangen und machte ein besorgtes Gesicht.
    »Nicht weinen, a leannan , mach dir keine Sorgen«, murmelte er. »Ist ja gut, m’annsachd ; ist ja schon gut.«
    »Ist schon gut; alles ist in Ordnung. Ich bin nur - glücklich«, sagte sie. Sie nahm das Taschentuch, wischte sich über die Augen und putzte sich die Nase. »Was bedeutet das - aleannan ? Und das andere, was du gesagt hast?«
    »Oh, du kannst kein Gälisch?« fragte er und schüttelte den Kopf. »Nein, natürlich hat’s ihr keiner beigebracht«, murmelte er, als spräche er mit sich selbst.
    »Das lerne ich schon«, sagte sie bestimmt und wischte sich ein letztes Mal über die Nase. »A leannan?«
    Die Spur eines Lächelns erschien in seinem Gesicht, als er sie ansah.
    »Es bedeutet ›Schatz‹«, sagte er leise. »M’annsachd - mein Segen.«
    Die Worte hingen zwischen ihnen in der Luft und schimmerten wie das Laub. Sie standen beide still, plötzlich befangen nach dieser Liebkosung, unfähig, den Blick voneinander abzuwenden, unfähig, die nächsten Worte zu finden.
    »Va…« Brianna fing

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