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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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leer. Clarence ih-ahte begeistert bei meinem Erscheinen, sonst regte sich nichts. Doch es war jemand gekommen - die Hühner hatten sich verstreut und waren ins Gebüsch geflohen.
    Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken; ich wirbelte herum, um gleichzeitig nach vorn und hinter mich zu blicken. Nichts. Die Kastanienbäume hinter dem Haus seufzten im Wind und filterten den Sonnenschein durch ihre Blätter.
    Ich wußte ohne jeden Zweifel, daß ich nicht allein war. Verdammt, und ich hatte mein Messer innen auf dem Tisch gelassen.
    »Sassenach.« Mir blieb fast das Herz stehen beim Klang von Jamies Stimme. Ich zuckte zu ihm herum, während meine Erleichterung rapide der Verärgerung wich. Was dachte er sich dabei…
    Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich das Gefühl, doppelt zu sehen. Sie saßen auf der Bank neben der Tür, Seite an Seite, und die Nachmittagssonne entflammte ihr Haar wie Streichholzköpfe.

    Mein Blick konzentrierte sich auf Jamies Gesicht, das vor Freude leuchtete - und wanderte dann nach rechts.
    »Mama.« Es war derselbe Ausdruck; Ungeduld und Freude und Sehnsucht zugleich. Ich hatte keine Zeit, auch nur einen einzigen Gedanken zu fassen, als sie mir schon in den Armen lag, und ich war außer mir. Es haute mich buchstäblich und bildlich um.
    »Mama!«
    Ich bekam keine Luft; was der Schrecken mir nicht genommen hatte, das wurde jetzt durch ihre rippenquetschende Umarmung aus mir herausgepreßt.
    »Brianna!« Ich schaffte es, nach Luft zu schnappen, und sie setzte mich ab, ohne mich jedoch loszulassen. Ich sah ungläubig zu ihr hoch, doch sie war es wirklich. Ich sah mich nach Jamie um und fand ihn an ihrer Seite. Er sagte nichts, sondern grinste mich breit an, seine Ohren knallrot vor Entzücken.
    »Ich, äh, ich hatte nicht damit gerechnet -«, sagte ich wie eine Idiotin.
    Brianna grinste mich genauso wie ihr Vater an, ihre Augen leuchtend wie Sterne und feucht vor Glück.
    »Niemand rechnet mit der Spanischen Inquisition!«
    »Was?« sagte Jamie verständnislos.

ZEHNTER TEIL
    Strapazierte Beziehungen

42
    Mondschein
    September 1769
    Sie erwachte aus ihrem traumlosen Schlaf, weil sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie fuhr erschrocken auf, stützte sich auf ihren Ellbogen und blinzelte. Jamies Gesicht war über ihr im Halbdunkel kaum auszumachen; das Feuer war so weit heruntergebrannt, daß es nur noch glomm, und es war fast stockfinster in der Blockhütte.
    »Ich gehe auf den Berg zur Jagd, Kleine; willst du mitkommen?«
    Sie rieb sich die Augen, versuchte, ihre schlaftrunkenen Gedanken zu sortieren und nickte.
    »Gut. Zieh deine Hose an.« Er erhob sich schweigend und ging aus dem Haus. Als er die Tür öffnete, ließ er einen durchdringend süßen, kalten Luftzug herein.
    Bis sie ihre Kniehose und Strümpfe angezogen hatte, war er zurück, und obwohl er eine Ladung Brennholz auf dem Arm trug, bewegte er sich immer noch so lautlos wie zuvor. Er nickte ihr zu und kniete sich hin, um das Feuer wieder anzufachen; sie fuhr in ihre Rockärmel und ging ihrerseits hinaus, um den Abort aufzusuchen.
    Die Welt hier draußen war schwarz und traumhaft; wäre es nicht so frisch gewesen, hätte sie glauben können, daß sie immer noch schlief. Die Sterne brannten kalt und hell, schienen aber so tief zu hängen, als könnten sie jeden Moment vom Himmel fallen und zischend in den nebelfeuchten Bäumen auf den umliegenden Bergkämmen verlöschen.
    Wie spät ist es? fragte sie sich und erschauerte, als sie das feuchte Holz an ihren Oberschenkeln spürte, die noch warm waren vom Schlaf. Ziemlich früh; es war sicher noch lange bis zur Dämmerung. Alles war verstummt, im Garten ihrer Mutter summten noch keine Insekten, und nichts regte sich, nicht einmal die trockenen Maisgarben, die im Feld standen.
    Als sie die Tür des Blockhauses aufschob, kam ihr die Luft im Innenraum
beinahe zum Schneiden vor; ein Block aus abgestandenem Rauch, Gebratenem und dem Geruch der Schläfer. Im Gegensatz dazu war die Luft draußen süß, aber dünn - sie atmete sie in tiefen Zügen ein, um genug davon zu bekommen.
    Er war fertig; eine Ledertasche war neben Axt und Pulverhorn an seinen Gürtel gebunden, ein größerer Segeltuchsack über seine Schulter geschlungen. Sie trat nicht ein, sondern blieb im Eingang stehen und beobachtete, wie er sich rasch bückte und ihre Mutter im Bett küßte.
    Natürlich wußte er, daß sie da war - und es war nur ein leichter Kuß auf die Stirn -, doch sie kam sich wie ein Eindringling,

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