Der Ruf Der Trommel
-«, sagte sie plötzlich, und sein Herz wurde von einem Pfeil der Eifersucht getroffen, die um so schmerzhafter war, weil sie so unerwartet kam. War es ihm nicht einmal vergönnt, sie so kurz für sich allein zu haben? Er öffnete die Augen und gab sich alle Mühe, interessiert auszusehen.
»Ich habe einmal versucht, ihm vom Alleinsein zu erzählen. Daß ich dachte, daß es vielleicht gar nicht so schlimm ist.« Sie seufzte und hatte die schweren Augenbrauen zusammengezogen. »Ich glaube nicht, daß er mich verstanden hat.«
Er machte ein unverbindliches Geräusch.
»Ich habe mir gedacht…« Sie zögerte, blickte ihn an und sah dann wieder fort. »Ich habe mir gedacht, vielleicht ist es das - warum du und Mama…« Ihre Haut war so klar, daß er das Blut darunter aufblühen sehen konnte. Sie holte tief Luft und stützte sich mit den Händen auf den Felsen.
»Sie ist auch so. Es macht ihr nichts aus, allein zu sein.«
Er sah sie an und hätte furchtbar gern gewußt, warum sie das sagte. Wie hatte Claires Leben in den Jahren ihrer Trennung ausgesehen, daß Brianna das wissen konnte? Es war wirklich so; Claire kannte den Geschmack des Alleinseins. Es war kalt wie Quellwasser, und nicht jeder konnte es trinken; manchem brachte es keine Erfrischung, sondern tödliche Kälte. Doch sie hatte tagein, tagaus mit einem Ehemann zusammengelebt; wie konnte sie da soviel Einsamkeit trinken, daß sie darüber Bescheid wußte?
Vielleicht konnte Brianna es ihm sagen, doch er würde sie nicht fragen; der letzte Name, den er hier hören wollte, war Frank Randalls.
Statt dessen hustete er.
»Na ja, vielleicht ist es ja wahr«, stimmte er vorsichtig zu. »Ich kenne Frauen - und auch ein paar Männer -, die den Klang ihrer eigenen Gedanken nicht ertragen können und vielleicht passen sie einfach nicht so gut zu denen, die es können.«
»Nein«, sagte sie nachdenklich. »Vielleicht nicht.«
Das leise Stechen der Eifersucht ließ nach. Also hatte sie ihre Zweifel über diesen Wakefield, oder? Sie hatte ihm und Claire alles erzählt über ihre Suche, die Todesanzeige, ihre Überfahrt aus Schottland, ihren Besuch auf Lallybroch - verfluchte Laoghaire! - und über Wakefield, den Mann, der ihr gefolgt war. Hier hatte sie nicht alles gesagt, dachte er, aber das war ihm auch recht; er wollte es nicht hören. Die Aussicht eines fernen Feuertodes beunruhigte ihn weniger als die drohende Unterbrechung seiner Idylle mit seiner verlorengeglaubten Tochter.
Er zog die Knie hoch und saß still da. So gern er seine Ruhe wiedergefunden hätte, er konnte Randall nicht mehr aus seinen Gedanken verbannen.
Er hatte gewonnen. Claire gehörte ihm, genau wie dieses wunderbare Kind - diese junge Frau, verbesserte er sich, als er sie ansah.
Doch Randall hatte sie zwanzig Jahre lang in seiner Obhut gehabt; es gab keinen Zweifel daran, daß er sie geprägt hatte. Aber wie?
»Sieh mal.« Briannas Hand drückte seinen Arm, als sie die Worte hinhauchte.
Er folgte ihrer Blickrichtung und sah sie; zwei Ricken, die kaum mehr als fünf Meter von ihnen entfernt gerade eben im Schatten der Bäume standen. Er bewegte sich nicht, sondern atmete still. Er konnte Brianna neben sich spüren, ebenfalls still und verzaubert.
Die Tiere sahen sie; die zarten Köpfe erhoben, die dunklen, feuchten Nüstern witternd gebläht. Doch einen Augenblick später trat die erste Ricke zaghaft vor, und ihre nervösen Schritte hinterließen Streifen im taufeuchten Gras. Die andere folgte ihr vorsichtig, und sie ästen an den Grasstreifen zwischen den Felsen entlang und hoben nur dann und wann die Köpfe, um seelenruhig einen Blick auf die fremden, aber harmlosen Geschöpfe auf dem Felsvorsprung zu werfen.
In Schottland wäre er niemals auch nur bis auf eine Meile an einen Rothirsch herangekommen, der ihn gewittert hatte. Die Hirsche wußten genau, was ein Mensch war.
Er sah zu, wie die Tiere mit der Unschuld vollkommener Wildheit grasten, und spürte den Segen der Sonne auf seinem Kopf. Dies war neues Land, und er war es zufrieden, mit seiner Tochter hier allein zu sein.
»Was jagen wir denn, Pa?« Er war stehengeblieben und ließ seine zusammengekniffenen Augen über den Horizont schweifen, doch sie war sich einigermaßen sicher, daß er kein Tier beobachtete; sie konnte sprechen, ohne das Wild zu verscheuchen.
Im Laufe des Tages hatten sie eine ganze Anzahl von Tieren gesehen; die beiden Ricken in der Dämmerung, einen roten Fuchs, der wachsam auf einem Felsen saß,
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