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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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und trennten uns, um uns langsam am Ufer entlangzuarbeiten. Ich hatte Brianna Kresse sammeln geschickt, während ich auf der Suche nach Holunderpilzen und anderen eßbaren Pilzen an den Bäumen herumstocherte.

    Ich beobachtete sie unauffällig, während ich Pilze suchte, ein Auge auf den Boden geheftet, das andere auf sie. Sie stand knietief im Bach, die Röcke hochgerafft, und entblößte ihren erstaunlich langen, muskulösen Oberschenkel, während sie langsam vorwärtswatete, den Blick auf das rauschende Wasser gerichtet.
    Irgend etwas stimmte nicht, schon seit Tagen. Anfangs hatte ich angenommen, die offensichtlichen Anstrengungen der neuen Situation, in der sie sich befand, wären schuld an ihrer angespannten Ausstrahlung. Doch im Lauf der letzten drei Wochen hatten sie und Jamie zu einer Beziehung gefunden, die zwar auf beiden Seiten immer noch von Schüchternheit gezeichnet war, aber ständig an Wärme zunahm. Sie erfreuten sich aneinander - und es war mir eine Freude, sie zusammen zu sehen.
    Dennoch irgend etwas machte ihr Sorgen. Es war drei Jahre her, daß ich sie verlassen hatte - vier, seit sie mich verlassen hatte und in ihre eigene Wohnung gezogen war, und sie hatte sich verändert; war jetzt ganz zur Frau herangewachsen. Ich konnte sie nicht mehr so leicht durchschauen wie früher. Sie beherrschte Jamies Kunstgriff, starke Gefühle hinter einer Maske der Ruhe zu verbergen - ich erkannte ihn bei beiden.
    Ich hatte unsere Sammelexpedition auch deswegen arrangiert, um allein mit ihr reden zu können; da Jamie, Ian und Lizzie im Haus waren und auch der Strom der Pächter und Besucher, die Jamie sprechen wollten, nicht abriß, war es unmöglich, sich dort ungestört zu unterhalten. Und wenn es stimmte, was ich vermutete, dann war dies eine Unterhaltung, bei der ich niemanden in Hörweite haben wollte.
    Als ich meinen Korb halb mit dicken, fleischigen Holunderpilzen gefüllt hatte, war Brianna triefend aus dem Bach gestiegen, und ihr eigener Korb quoll über mit grünen Kressebüscheln und Schachtelhalmen zur Kerzenherstellung.
    Sie wischte sich ihre Füße am Rocksaum ab und gesellte sich dann zu mir unter eine der großen Kastanien. Ich gab ihr die Flasche mit Apfelwein und wartete, bis sie etwas getrunken hatte.
    »Ist es Roger?« sagte ich ohne Einleitung.
    Sie sah mich an, und in ihren Augen blitzte es erschrocken auf, doch dann sah ich, wie sich die Anspannung im Umriß ihrer Schultern löste.
    »Ich habe mich schon gefragt, ob du es immer noch kannst«, sagte sie.
    »Was?«
    »Meine Gedanken lesen. Irgendwie habe ich mir gewünscht, daß
du es noch kannst.« Ihr breiter Mund zuckte befangen, und sie versuchte zu lächeln.
    »Ich schätze, ich bin ein bißchen aus der Übung«, sagte ich. »Aber laß mir einen Augenblick Zeit.« Ich streckte die Hand aus und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Sie sah mich an, blickte aber an mir vorbei, zu schüchtern, um meinem Blick zu begegnen. Ein Ziegenmelker rief tief in den grünen Schatten.
    »Schon gut, Baby«, sagte ich. »Wie weit bist du denn?«
    Der Atem entfuhr ihr in einem tiefen Seufzer. Ihr Gesicht erschlaffte erleichtert.
    »Zwei Monate.«
    Jetzt sah sie mich direkt an, und wie schon so oft seit ihrer Ankunft spürte ich ein leises Erschrecken darüber, wie anders sie war. Früher wäre ihre Erleichterung die eines Kindes gewesen; sie hätte mir ihre Angst eingestanden, und damit wäre sie schon halb überstanden gewesen, weil sie wußte, daß ich mich schon irgendwie darum kümmern würde. Doch jetzt war es nur noch die Erleichterung darüber, ein unerträgliches Geheimnis mit mir zu teilen; sie erwartete nicht, daß ich die Dinge in Ordnung bringen würde. Das Wissen, daß ich gar nichts tun konnte , verhinderte in keiner Weise, daß ich ein irrationales Verlustgefühl empfand.
    Sie drückte mir die Hand, wie um mich zu beruhigen, und setzte sich dann hin, den Rücken an einen Baumstamm gelehnt, die Beine vor ihr ausgestreckt, die langen Füße nackt.
    »Hast du es schon gewußt?«
    Ich setzte mich neben sie, weniger elegant.
    »Ich schätze schon; aber ich wußte nicht, daß ich es wußte, falls das einen Sinn ergibt.« Als ich sie jetzt ansah, war es offensichtlich; ihre leichte Blässe und die winzigen Veränderungen ihrer Hautfarbe, ihr flüchtig nach innen gewandter Blick. Ich hatte es bemerkt, doch die Veränderungen ihrer ungewohnten Lage und der Anstrengung zugeschrieben - dem Ansturm der Gefühle über das Wiedersehen mit mir, der

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