Der Ruf Der Trommel
nicht, Baby«, murmelte ich und wiegte sie sanft. »Wir wären niemals von dir enttäuscht gewesen, niemals.«
Ich spürte die Spannung und Sorge verebben, während ich sie festhielt. Schließlich holte sie tief Luft und ließ mich los.
»Vielleicht nicht du oder oder Papa«, sagte sie. »Aber was ist mit -?« Sie senkte den Kopf in Richtung des Hauses, das für uns unsichtbar war.
»Er wird nicht -«, begann ich, doch dann hielt ich inne. Die Wahrheit war, daß ich nicht wußte, was Jamie tun würde. Einerseits neigte er sehr dazu, Brianna unübertrefflich zu finden. Andererseits hatte er Ansichten über Sexualität und Ehre, die man - aus naheliegenden Gründen - nur als altmodisch bezeichnen konnte, und er hatte keine Hemmungen, sie auszudrücken.
Er war weltgewandt, gebildet, tolerant und mitfühlend. Dies bedeutete in keinster Art und Weise, daß er moderne Denkweisen teilte oder verstand; ich wußte genau, daß er das nicht tat. Und ich konnte mir nicht vorstellen, daß er Roger gegenüber auch nur die geringste Toleranz an den Tag legen würde.
»Tja«, sagte ich skeptisch, »ich würde mich nicht wundern, wenn er Roger am liebsten eins auf die Nase geben würde oder so etwas. Aber mach dir keine Sorgen«, fügte ich hinzu, als ich ihren alarmierten Blick sah. »Er liebt dich«, sagte ich und strich ihr das zerzauste Haar aus dem Gesicht. »Und nichts kann ihn davon abbringen.«
Ich stand auf und streifte mir die gelben Blätter von meinem Rock.
»Also haben wir noch etwas Zeit, wenn wir auch keine verlieren dürfen. Jamie kann flußabwärts die Nachricht verbreiten, daß man nach Roger Ausschau hält. Wo wir von Roger reden…« Ich zögerte und zupfte mir ein Stückchen vertrockneten Farn vom Ärmel. »Ich nehme nicht an, daß er davon weiß, oder?«
Brianna holte tief Luft, und ihre Faust schloß sich fest um das Blatt in ihrer Hand und zerdrückte es.
»Na ja, weißt du, es gibt da ein Problem«, sagte sie. Sie blickte zu mir auf, und plötzlich war sie wieder mein kleines Mädchen. »Es ist nicht von Roger.«
»Was?« sagte ich wie vor den Kopf geschlagen.
»Es. Ist. Nicht. Rogers. Baby«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Ich sank wieder neben ihr zu Boden. Ihre Sorge um Roger nahm plötzlich neue Dimensionen an.
»Wer?« sagte ich. »Hier oder dort?« Ich rechnete es augenblicklich nach - es mußte jemand hier in der Vergangenheit sein. Wäre es ein Mann in ihrer eigenen Zeit gewesen, dann wäre sie schon weiter als zwei Monate. Also nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch hier in den Kolonien.
Ich hatte nicht vor, Sex zu haben , hatte sie gesagt. Nein, natürlich nicht. Sie hatte Roger nichts gesagt, aus Angst, daß er ihr folgen würde - er war ihr Anker, ihr Schlüssel zur Zukunft. Aber wenn das so war…
»Hier«, sagte sie und bestätigte meine Überlegungen. Sie wühlte in ihrer Rocktasche und brachte etwas zum Vorschein. Sie streckte mir die Hand hin und ich hielt ihr automatisch die meine hin.
»Himmelherrgottsakrament.« Der abgetragene, goldene Ehering glitzerte in der Sonne, und meine Hand umschloß ihn automatisch. Er war warm, weil sie ihn an ihrem Körper getragen hatte, doch ich spürte, wie mir Eiseskälte in die Finger sickerte.
»Bonnet?« sagte ich. »Stephen Bonnet ?«
Ihre Kehle bewegte sich krampfhaft. Sie schluckte, und ihr Kopf ruckte in einem kurzen Nicken.
»Ich hatte nicht vor, es dir zu erzählen - ich konnte es nicht; nicht, nachdem Ian mir erzählt hat, was auf dem Fluß passiert ist. Zuerst wußte ich nicht, was Pa tun würde; ich hatte Angst, er würde mir Vorwürfe machen. Und dann, als ich ihn etwas besser kannte - da wußte ich, daß er versuchen würde, Bonnet zu finden - das ist es jedenfalls, was Papa getan hätte. Das konnte ich nicht zulassen. Du bist dem Mann doch begegnet, du weißt, wie er ist.« Sie saß in der Sonne, doch ein Schauer überlief sie, und sie rieb sich die Arme, als wäre ihr kalt.
»Das stimmt«, sagte ich. Meine Lippen waren steif. Ihre Worte hallten in meinen Ohren wider.
Ich hatte nicht vor, Sex zu haben. Ich konnte es nicht sagen… Ich hatte Angst, er würde mir Vorwürfe machen.
»Was hat er mit dir gemacht?« fragte ich und war überrascht über den ruhigen Klang meiner Stimme. »Hat er dir weh getan, Baby?«
Sie zog eine Grimasse, winkelte die Knie an und preßte sie mit den Armen an sich.
»Nenn mich nicht so, okay? Nicht jetzt.«
Ich streckte die Hand aus, um sie zu berühren, doch sie kuschelte
Weitere Kostenlose Bücher