Der Ruf Der Trommel
herab, der ihr immer langsamer durch die Finger lief. »Mir tut es auch leid - ich hätte nicht wütend auf dich werden dürfen.«
Er schloß kurz die Augen und seufzte, dann öffnete er sie wieder und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Ich lächelte schwach, wandte mich wieder meiner Arbeit zu und zerstampfte weiter Fenchelsamen in meinem Mörser.
Er zog einen Hocker heran, setzte sich neben sie, und sie wandte sich ihm zu, wobei sie eine Hand auf das Rad legte, um es anzuhalten.
»Ich weiß, daß du es gut gemeint hast«, sagte sie. »Du und Ian auch. Aber verstehst du es nicht, Pa? Ich muß auf Roger warten.«
»Aber wenn dem Mann irgend etwas zugestoßen ist - wenn ihm ein Unfall passiert ist…«
»Er ist nicht tot. Ich weiß , daß er nicht tot ist.« Sie sprach mit der Leidenschaft eines Menschen, der sich die Realität zurechtbiegen will. »Er wird zurückkommen. Und was wäre wohl, wenn er käme und mich mit Ian verheiratet vorfände?«
Beim Klang seines Namens sah Ian auf. Er saß am Feuer auf dem Boden; Rollo hatte ihm seinen riesigen Kopf auf das Knie gelegt und seine gelben Wolfsaugen zu wollüstigen Schlitzen zusammengezogen, während ihm Ian systematisch den dichten Pelz kämmte und alle Zecken und Kletten herauszog, die er fand.
Jamie fuhr sich frustriert mit den Fingern durchs Haar.
»Ich lasse nach ihm Ausschau halten, seit du mir von ihm erzählt hast, a nighean . Ich habe Ian nach Cross Creek geschickt, damit er auf River Run Bescheid sagt und Captain Freeman bittet, es den anderen Flußschiffern weiterzusagen. Ich habe Duncan mit der Nachricht losgeschickt, der sie durch das ganze Tal des Cape Fear, bis weit in den Norden nach Edenton und New Bern und auf den Paketschiffen von Virginia nach Charleston verbreiten soll.«
Er sah mich um Verständnis flehend an. »Was kann ich denn sonst noch tun? Der Mann ist nicht zu finden. Wenn ich glauben würde, daß es die geringste Chance gibt…« Er hielt inne, die Zähne in seine Lippen gebohrt.
Brianna senkte den Blick auf den Faden in ihrer Hand und riß ihn mit einer schnellen, abgehackten Handbewegung durch. Sie ließ das lose Ende von der Spindel herabhängen, stand auf und durchquerte das Zimmer, um sich mit dem Rücken zu uns an den Tisch zu setzen.
»Es tut mir leid, Kleines«, sagte Jamie etwas ruhiger. Er streckte die Hand aus und legte sie ihr auf die Schulter, vorsichtig, als könnte sie ihn beißen.
Sie verspannte sich ein wenig, wich aber nicht vor ihm zurück. Einen Augenblick später langte sie herauf und nahm seine Hand, drückte sie leicht und legte sie dann zur Seite.
»Ich verstehe«, sagte sie. »Danke, Pa.« Sie saß da, den Blick auf die Flammen gerichtet, Gesicht und Körper völlig reglos, und brachte es dennoch fertig, absolute Trostlosigkeit auszustrahlen. Ich legte ihr die Hand auf die Schultern und rieb sie sanft, doch sie fühlte sich wie eine Wachspuppe unter meinen Fingern an - sie widersetzte sich der Berührung nicht, reagierte aber auch nicht darauf.
Jamie betrachtete sie einen Moment stirnrunzelnd und sah mich an. Dann stand er auf, als hätte er einen Entschluß gefaßt, griff in das Regal, holte sein Tintenhorn und den Krug mit den Federkielen heraus und stellte sie scheppernd auf den Tisch.
»Ich habe eine Idee«, sagte er bestimmt. »Wir sollten ein Flugblatt entwerfen, und ich bringe es zu Gilette nach Wilmington. Er kann es drucken, und Ian und die Lindsey-Jungs können die Kopien an der Küste verteilen, von Charleston bis Jamestown. Es kann ja sein, daß jemand sich nicht an Wakefield erinnert, weil er seinen Namen nie gehört hat, aber daß er ihn vielleicht am Aussehen erkennt.«
Er schüttelte ein wenig von dem Tintenpulver aus Eisen und Eichengalle in die fleckige Kürbisschale, die er als Tintenbehälter benutzte, goß etwas Wasser aus dem Waschkrug dazu und rührte es mit dem Stiel einer Feder um. Er lächelte Brianna an und holte ein Blatt Papier aus der Schublade.
»Also, Kleine, wie sieht dein Mann denn aus?«
Der Vorschlag, die Initiative zu ergreifen, hatte wieder einen Lebensfunken in Brianna geweckt. Sie setzte sich gerader hin und ein Energiestrom floß an ihrer Wirbelsäule herauf bis in meine Finger.
»Groß«, sagte sie. »Fast so groß wie du, Pa. Er muß den Leuten auffallen, nach dir sehen sie sich auch immer um. Er hat schwarze Haare und grüne Augen - leuchtend grün; es ist eine der ersten Dinge, die einem an ihm auffallen, nicht wahr, Mama?«
Ian fuhr leicht
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