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Der Ruf Der Trommel

Titel: Der Ruf Der Trommel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fest auf die ihren gerichtet.
    »Ich wollte ihn umbringen. Ich habe Ian daran gehindert, weil eine Kugel mir ein zu leichter Tod für den Schuft zu sein schien - zu schnell für das, was er getan hatte.« Er holte tief Luft, und ich konnte sehen, daß die Hand, mit der er sich an seinem Schreibregal festhielt, so fest angespannt war, daß die Knöchel sich weiß auf seiner Haut abzeichneten.
    »Ich habe eine Pause gemacht, um nachzudenken, wie es sein sollte; was zu tun war. Ich habe Ian bei ihm gelassen und bin fortgegangen.« Er schluckte; ich konnte sehen, wie sich seine Halsmuskeln bewegten, doch er wandte seinen Blick nicht ab.
    »Ich bin ein kleines Stück in den Wald gegangen und habe mich mit dem Rücken an einen Baum gelehnt, damit mein Herz sich beruhigen konnte. Ich dachte mir, daß er besser wach sein sollte, daß er es wissen sollte - aber ich hatte nicht das Gefühl, daß ich es hätte ertragen können, ihn noch einmal sprechen zu hören. Er hatte schon zu viel gesagt. Doch dann fing ich an, wieder zu hören, was er gesagt hatte.«
    »Was? Was hat er gesagt?« Sogar ihre Lippen waren weiß.
    Jamies ebenfalls.
    »Er hat gesagt… daß du ihn gebeten hast, mit dir ins Bett zu gehen. Daß du -« Er hielt inne und biß sich brutal auf die Lippe.
    »Er hat gesagt, du wolltest ihn; du hättest ihn darum gebeten, dich
zu entjungfern«, sagte Ian. Sein Tonfall war kühl, sein Blick auf Brianna gerichtet.
    Sie atmete mit einem rauhen Geräusch ein, so als ob man Papier zerreißt.
    »Das habe ich auch.«
    Ich sah unwillkürlich zu Jamie hinüber. Seine Augen waren geschlossen, seine Zähne in seiner Lippe versenkt.
    Ian machte ein schockiertes Geräusch, und Brianna ließ wie der Blitz ihre Hand zurückfahren und schlug ihn ins Gesicht.
    Er fuhr zurück, verlor das Gleichgewicht und fiel fast von der Bank. Er ergriff die Tischkante und stolperte auf seine Füße.
    »Wie?« schrie er, das Gesicht in plötzlicher Wut verzerrt. »Wie konntest du so etwas tun? Ich habe Onkel Jamie gesagt, du würdest niemals herumhuren, nie! Aber es stimmt, nicht wahr?«
    Sie war auf den Beinen wie ein Leopard, und die Farbe ihrer Wangen war von einer Sekunde auf die nächste von Weiß in brennendes Rot umgeschlagen.
    »Schön, was für ein selbstgerechter Heiliger du doch bist, Ian! Wer hat dir das Recht gegeben, mich eine Hure zu nennen?«
    »Recht?« Er stotterte einen Augenblick vor sich hin, denn ihm fehlten die Worte. »Ich - du - er -«
    Bevor ich eingreifen konnte, holte sie mit der Faust aus und boxte ihn fest in den Magen. Mit völlig überraschtem Gesicht setzte er sich hart auf den Boden, den Mund geöffnet wie ein saugendes Ferkel.
    Ich setzte mich in Bewegung, doch Jamie war schneller. In weniger als einer Sekunde war er an ihrer Seite und packte sie am Arm. Sie wirbelte herum in der Absicht, ihn ebenfalls zu schlagen, glaube ich, doch dann erstarrte sie. Ihr Mund arbeitete tonlos, und Tränen des Schocks und der Wut liefen ihr über die Wangen.
    »Sei still«, sagte er, und seine Stimme war sehr kalt. Ich sah, wie sich seine Finger in ihre Haut gruben, und machte ein leises Protestgeräusch. Er beachtete es nicht, denn er war zu sehr auf Brianna konzentriert.
    »Ich wollte es nicht glauben«, sagte er mit einer Stimme wie Eis. »Ich habe mir eingeredet, er hätte es nur gesagt, um sein Leben zu retten, daß es nicht wahr war. Aber wenn es -« Ihm schien endlich bewußt zu werden, daß er ihr weh tat. Er ließ ihren Arm los.
    »Ich konnte den Mann nicht ums Leben bringen, ohne sicher zu sein«, sagte er und hielt dann inne, während seine Augen ihr Gesicht durchforschten. Nach Reue? fragte ich mich. Oder Gewissensbissen? Was auch immer er suchte, alles, was er fand, war schmorende Wut.
Ihr Gesicht war ein Spiegelbild des seinen, ihre blauen Augen so heiß wie die seinen.
    Sein Gesicht veränderte sich, und er wandte den Blick ab.
    »Ich habe es bedauert«, sagte er leise. »Als ich in dieser Nacht nach Hause kam und dich gesehen habe, da hat es mir leid getan, daß ich ihn nicht umgebracht habe. Ich habe dich in den Armen gehalten - und ich spürte mein Herz vor Scham zusammenschrumpfen, weil ich an der Tugend meiner Tochter gezweifelt hatte.« Er sah zu Boden, und ich konnte die Stelle sehen, wo er sich auf die Lippe gebissen hatte.
    »Jetzt ist mein Herz völlig zerrissen. Nicht nur, weil du dich versündigt hast, sondern auch, weil du mich angelogen hast.«
    »Dich angelogen?« Ihre Stimme war nicht mehr als ein

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