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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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vollen Händen an Sigfrids Freunde verteilte. Im Laufe des Jahres waren immer mehr Krieger von überallher gekommen; der Hort zog sie an. Tolbiacum wimmelte von Fremden, die nicht etwa Gunter, sondern seiner Schwester die Treue schworen. Wieder war es Hagen gewesen, der die Gefahr beim Namen nannte: »Wenn wir noch lange tatenlos zusehen, haben wir ein feindliches Heer mitten unter uns. Mit jedem Tag, den Grimhild den Hort benutzt, um ergebene Männer um sich zu scharen, steigt die Gefahr, dass sie eines Tages beschließt, Sigfrids Tod zu rächen.« Und mit dem ihm eigenen Sinn für das Notwendige hatte er getan, was getan werden musste.
    Gunters Miene war undurchdringlich, während er neben seinem Waffenmeister ritt. Es war furchtbar, seine eigene Schwester zu berauben. Aber natürlich war Hagens Plan   – wie immer   – der einzig vernünftige. Seine Ratschläge hatten es nun einmal an sich, dass sie Gunter selten gefielen. Wie das Herrschen. Doch wenn Hagen, der nicht einmal König war, seine eigenen Wünsche für das Wohl der Sippe hintansetzen konnte, dann würde er nicht dahinter zurückstehen. Gunter hatte nie verstanden, was den Waffenmeister an ihn band. Sein Treueschwur Aldrian gegenüber war mit dessen Tod erloschen. Er schuldete ihm nichts. Was brachte einen Mann wie Hagen, der sich selbst ein Reich hätte erobern können, dessen Lieder in jeder Halle gesungen wurden, dazu, einem wertlosen König Gefolgschaft zu schwören?
    Unauffällig beobachtete Hagen seinen Gefolgsherrn. Seit Brünhilds Tod kapselte sich Gunter ab. Er aß, er trank, er atmete, aber es war im Grunde genommen nur sein Körper, der diese Dinge tat. Die Krieger flüsterten hinter seinem Rücken, sie spürten, dass nur noch wenig Heil in ihm war. Und nicht nur in ihm, das Sippenheil schien die Niflungen zu fliehen. Ein freudloser König. Ein verkrüppelter Bruder. Ein orientierungsloser Jüngling, der, seit er sich von Hagen und seine Schwester sich von ihm abgewandt hatte, eine Dummheit nach der anderen beging. Und Grimhild   – Hagens Gesichtsmuskeln zuckten   – war unberechenbar geworden. Es gab Tage, an denen sich ihr Sinn umnachtete. Dann zog sie sich in sich selbst zurück und erkannte niemanden mehr, nicht einmal ihre Mutter. Irmgard zeichnete jetzt immer Schutzrunen in die Luft, ehe sie das Zimmer ihrer Herrin betrat.
    Die Holzräder der Wagen knirschten, als sie auf blanken Fels stießen. Hagen hielt an und stieg ab. Sie hatten ihr Ziel erreicht.
    »Hier?«, fragte Gunter verwundert. »Aber du sagtest doch   …«
    Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch lächelte Hagen. »Geduld.« Er führte sein Pferd durch schier undurchdringliches Dickicht. Die anderen Tiere folgten ihm willig. Dornen und Gestrüpp versperrten ihnen den Durchgang, mehr als einmal blieb ein Wagen an einem Brombeerstrauch hängen und musste mühsam wieder befreit werden. Die beiden Männer keuchten, als sie die versteckte Höhle erreichten. Sie war, wie Hagen sie in Erinnerung hatte. Immer noch lächelnd drehte er sich zu Gunter um.
    Der nickte anerkennend. »Nicht schlecht. Niemand wird dieses Versteck finden.«
    Sie brachten Pferde und Wagen hinein und deckten den Schatz auf. Mit einem Ächzen fuhren Gunter und Hagen zurück. Den ganzen Tag über hatten sich die Edelsteine in der Sonne erwärmt. Als jetzt in der dunklen Höhle die Planen aufgeschlagen wurden, fing ein Teil der Steine an zu fluoreszieren. Rotes, grünes, blaues Licht strahlte aus den Kisten, ein Leuchtfeuer an Farben. Sprachlos standen die beiden Männer vor diesem Wunder. Es schien ihnen plötzlich wie ein Sakrileg, den Hort zu versenken.
    Hagen löste sich als Erster aus dem Bann, ergriff das Pferd, das den vordersten Wagen zog, beim Zügel und führte es tiefer in die Höhle. Von irgendwoher kam ein schwacher Lichtschein. Der Weg verengte sich, wurde wieder breiter, machte mehrere Biegungen und endete schließlich an einem Abgrund. Die Männer traten an den Rand. Unter ihnen floss, dunkel und unergründlich, der Rhein. Gunter blickte in die kalten Tiefen und fühlte sich unbehaglich. Im unterirdischen Teil des Flusses schien die Macht des Rheins stärker als im Licht der Sonne.
    Ein Stein kollerte. Hagen drehte sich um. Folgte ihnen jemand? Aufmerksam musterte er die Wände der Höhle. Gunter wollte etwas sagen, aber Hagen legte ihm die Hand auf den Arm und bedeutete ihm zu schweigen. Mit gezogenem Schwert schlich er Richtung Eingang. Erst nach einer ganzen Weile kehrte er

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