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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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sich niemals dazu hergeben, um eines Weibes willen Krieg mit den Niflungen anzufangen.«
    »Es gibt andere Möglichkeiten für eine Frau, ihre Pläne zu verwirklichen. Du unterschätzt deine Schwester, wie alle.«
    Gunter schüttelte den Kopf. »Hast du darüber nachgedacht, was es für sie heißt, auf Schritt und Tritt von den Menschen umgeben zu sein, die sie unglücklich gemacht haben? Ich habe ihr großes Leid zugefügt, es ist an mir, ihren Kummer wiedergutzumachen.«
    »Du machst Sigfrids Tod nicht ungeschehen, indem du Grimhild neue Macht verschaffst.«
    Gunter starrte die Wand an. Natürlich sah er die Weisheit in den Worten seines Waffenmeisters. Hagens Rat war immer klug. Aber nicht immer menschlich. Und dieses eine Mal würde er sich darüber hinwegsetzen, seiner Schwester zuliebe. »Attala ist ein großer Mann, ein Mann, den sie achten kann. Vielleicht gelingt es ihm, ihr Herz von neuem zu wecken. Und was kann Leid besser lindern als Liebe? Nein, Hagen, ich möchte Grimhild eine neue Hoffnung schenken. Ich habe Sigfrids Tod gewollt, aber das heißt nicht, dass ich meiner Schwester Unglück wünsche. Ich liebe sie.«
    Ich auch , hätte Hagen fast hinzugefügt, aber er biss sich noch rechtzeitig auf die Zunge.
3
    Allmählich verzog sich das Gewitter, und die Sonne brach durch. Ihre Strahlen erwärmten die kalte Erde. Vereinzelte Tropfen, die noch nichts davon wussten, dass der Regen längst vorüber war, fielen durch die kahlen Zweige und klopften ein zartes Lied auf Baum und Strauch.
    Grimhild hielt auf dem Hügel an und ließ Fála verschnaufen. In einiger Entfernung folgte ihr Jarl Irung, ihr Vetter, mit einer Handvoll Krieger. Gunter hatte darauf bestanden, ihr Begleitschutz mitzugeben. Wenigstens wahrten die Männer Abstand, sodass sie sich einreden konnte, sie sei allein. Der Anblick des Niflungenlandes lag ihr schwer im Magen. Vor ihr glitzerte der Rhein, in entgegengesetzter Richtung, irgendwo hinter den Hügeln, befand sich die Burg, in der sie aufgewachsen war. Nichts davon würde sie je wiedersehen. Wenn sie diesmal ging, würde es für immer sein. Ein Regenbogen wölbte sich über dem Land, Bifröst , die Brücke nach Asgard, der Heimstatt der Götter. Westlich von Bifröst lag Walhall, so sagte man. Aber Grimhild hielt nicht danach Ausschau. Reglos saß sie auf dem Rücken ihres Pferdes. Das Land schien ihr fremd. Wie ihr eigenes Herz, das einem toten Gegenstand gleich in ihrer Brust lag.
    Grimhild stieg ab und führte Fála in das nahe gelegene Gehölz, in dem sie damals die Leiche ihres Vaters gefunden hatte. Sie wusste selbst nicht, was sie hierher zog. Seit sie Sigfrid nach Tarlungenland gefolgt war, war sie nicht mehr hier gewesen. Es hatte sich wenig verändert. Für sie waren die Büsche noch immer voller Blut, dem Blut ihres Vaters. Sie vermisste ihn schrecklich. Aldrian hätte den Mord an Sigfrid nicht zugelassen. Er konnte streng sein, aber er war niemals ungerecht. Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie sich daran erinnerte, wie er sie nach der Schilderhebung in seinem Arm mitgenommen hatte, als er das Gebiet des neu eroberten Reiches umritt und Besitz von jeder civitas nahm, indem er sich von den civitates Gefolgschaft schwören ließ. Dies war ihre älteste Erinnerung an ihren Vater und vielleicht die kostbarste. Ihr Blick richtete sich auf die Stelle, an der die Blutrache an ihm verübt worden war. Sie umfasste die Kornährenbrosche, Sigfrids Morgengabe, die sie seit seinem Tod um den Hals trug. Auch ich werde die Blutschuld an meinem Mann nicht ungesühnt lassen, schwor sie sich.
    Irung betrat das Gehölz. »Lass uns gehen, Grimhild, es wird spät!«, sagte er.
    Im ersten Moment wollte sie ihrem Zorn über die Störung Ausdruck verleihen, aber dann ließ sie es. Ihr war nicht nach Streiten zumute.
    Irung machte einen Schritt auf sie zu, sein Atem ging schneller. »Ich hörte   … ich hörte, Attala hat um dich geworben«, sagte er. »Nimm mich mit dir, wenn du gehst! Du wirst deine eigenen Leute brauchen. Lass mich dir Gefolgschaft schwören, Grimhild!«
    Sein Anerbieten überraschte sie. Ihr wurde warm ums Herz. Sie bedachte ihn mit der Andeutung eines Lächelns. »Ich danke dir, Irung. Es tut gut zu wissen, dass man noch eine Sippe hat.«
    Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg. Kurz vor Tolbiacum kam ihnen Rodinger entgegen. Grimhild zügelte ihr Pferd und wartete, bis er heran war. Als sie das Schwert an seiner Seite entdeckte, ging ein Stich durch ihr Herz.

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