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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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ihre Tochter sie brauchte. Obwohl Grimhild sich neuerdings abkapselte und sie nicht länger an ihr Herz heranließ. Wie alle ihre Kinder, dachte die alte Königin betrübt.
    Plötzlich waren die Schwarzalben da.
    Die Menschen verstummten und beobachteten die Neuankömmlinge furchtsam oder feindselig, doch niemand sprach ihnen das Recht ab, ihren Bezwinger zu ehren. Lautlos versammelten sich die Alben um den Scheiterhaufen und griffen in die Flammen. Sie schienen die Hitze nicht zu fühlen. Mit rußgeschwärzten Fingern malten sie sich kaunaz , die Brandrune, auf die Stirn. Anschließend ergriffen sie ihre Messer und ritzten sich zwei blutige Streifen unter die Augen. Einer nach dem anderen tauchte eine Fackel in die Flammen. Dann begannen sie, gemessenen Schrittes den Scheiterhaufen zu umschreiten, während sie einen tiefen, erdhaften Ton anstimmten, der auf- und abschwoll, und halfen so, Sigfrid von dieser Welt zu befreien.
    Hagen hielt nach seinem Halbbruder Ausschau und entdeckte ihn schließlich abseits der anderen. Ihre Augen begegneten sich für einen Moment, und Andvari nickte ihm zu, ehe er im Dunkeln Richtung Burg verschwand.
    Dólgthrasir war der Erste, der es bemerkte. Nur um Augenblicke verzögert spürten es die anderen Schwarzalben und wandten ihre Köpfe dem Feuer zu. Einmal darauf aufmerksam gemacht, dass etwas Ungewöhnliches vorging, konnte selbst Hagen die Ausläufer einer wilden, ungezügelten Kraft ausmachen. Mimung erwachte. Von der Hitze geweckt, erinnerte sich der Stahl an die Lust von Mimes Hammer und die Ekstase der Wandlung im Schmiedefeuer und schrie im Sinnesrausch.
    Der Waffenmeister wandte sich ab. Ungeduldig wartete er darauf, dass sein Halbbruder mit der erlösenden Nachricht zurückkam, dass der Unglücksring keinen Schaden mehr anrichten konnte. Immer wieder sah er den Hügel hinab, doch der Schwarzalbe ließ sich nicht blicken.
    Das Feuer war zur Hälfte niedergebrannt, als Andvari auf seinen kurzen Beinen auf ihn zurannte. Hagen hatte seinen Halbbruder noch nie so verzweifelt gesehen. »Andvaranaut! Er ist nicht in ihrem Zimmer!«
    Alarmiert sah Hagen zu Grimhild. Ihre Arme waren entblößt, man konnte deutlich erkennen, dass sie den Ring nicht trug. Der Waffenmeister stieß den angehaltenen Atem wieder aus und warf dem Alben einen verständnislosen Blick zu. Was ging hier vor?
    Andvari wurde bleich. Er hatte einen Fehler gemacht! Er wusste doch, dass eine zweite Frau mit Sigfrid verbunden war! »Wo ist die andere?«, fuhr er Hagen an.
    »Wer?«
    Der Albe stieß einen Schrei der Frustration aus, weil sein Bruder so langsam begriff. »Die Königin!«
    »Brünhild?« Die Verwirrung des Waffenmeisters wurde größer. Was hatte Brünhild mit dem Ring zu tun? Suchend sah er sich um, konnte sie aber nirgends entdecken. Vor einer Weile hatte sie noch in seiner Nähe gestanden. Anscheinend war sie gegangen, er hatte nicht weiter darauf geachtet.
    Andvari packte ihn und schüttelte ihn, als wolle er die Auskunft aus ihm herausprügeln. Kein anderer hätte es gewagt, so mit ihm umzuspringen. Aber Hagen begriff nun, dass sein Halbbruder über eine Information verfügte, die ihm das blanke Entsetzen in die Augen trieb, daher stellte er keine überflüssigen Fragen, sondern rannte einfach los und überließ es Andvari, ihm zu folgen.
     
    Gunter starrte betrübt ins Feuer. Das gramerfüllte Gesicht seiner Schwester verfolgte ihn. Hätte es eine andere Lösung gegeben, eine Lösung, bei der sie Grimhild keinen Schmerz hätten zufügen müssen? Er schüttelte den Kopf. Seine und Brünhilds Ehre waren verletzt worden. Es gab keinen anderen Weg, sie wiederherzustellen als durch Blut. Wie er es auch drehte und wendete, er fand nichts, das er hätte anders machen können.
    Als Hagen seinen König in Gedanken versunken dastehen sah, wurde er langsamer. Wie schlimm einem Menschen sein Los auch dünkte, es gab immer noch eine Steigerung. Er hatte gedacht, den Tiefpunkt seines Lebens erreicht zu haben, als er einen Mann hinterrücks tötete und damit zugleich Achtung und Liebe der beiden Menschen verlor, die ihm auf der Welt neben Gunter am meisten bedeuteten. Aber offenbar genügte es Wodan nicht. Der Gott der Ekstase liebte es, Lust und Leid gleichermaßen bis zur äußersten Grenze auszuloten.
    Hagen dachte daran, Gunters Arm zu berühren, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber er konnte nicht. So blieb er einfach neben ihm stehen und wünschte inbrünstig, sein König würde ihn nicht

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