Der Ruf Der Walkueren
zurück.
»Etwas entdeckt?«
Hagen zuckte die Achseln. »Wir sollten zusehen, dass wir unser Werk vollenden.«
Gunter nickte, aber ihm fiel auf, dass der Waffenmeister sich während der folgenden Arbeit so stellte, dass ein etwaiger Beobachter freie Sicht hätte. Zu zweit schirrten sie die Pferde ab und schoben den ersten Karren an den Felsrand. »Irgendwie tut es mir leid, das Feuer der Steine im kalten Wasser zu begraben«, sagte der Niflungenkönig.
»Der Rhein wird den Hort des Stillen Volkes hüten. Wenn du je Gold brauchst, weißt du, wo es zu finden ist.«
Gemeinsam kippten sie den Karren an. Stück um Stück des Schatzes stürzte in die Fluten. Bedauernd sah Gunter dem goldenen Schimmer nach, wie er tiefer sank und immer tiefer.
Aus dem aufwirbelnden Schlamm erhob sich plötzlich ein dunkelgrüner Arm und griff nach einem Rubin. Ein Gesicht tauchte auf, algenbewachsen, geschuppt. Kalte Fischaugen starrten zu ihnen empor. Eine Weile sah der Nök sie mit entseeltem Blick an, dann kräuselte sich die Wasseroberfläche, und als sie sich wieder beruhigt hatte, war er verschwunden.
Weder Gunter noch Hagen sagten ein Wort, als sie den leeren Karren zurückschoben und einen zweiten heranholten. Die nächste Ladung wurde in den Rhein gekippt. Die beiden Männer beugten sich über den Felsrand und starrten hinunter, doch der Wassergeist zeigte sich kein zweites Mal.
Wagen um Wagen entluden sie auf diese Weise, bis alle Fuhren leer waren. Zum Schluss wickelte Gunter einen verhüllten Gegenstand aus einem kostbaren Tuch. Selbst hier unten, in der dämmrigen Höhle, glühte Mimung von einem inneren Feuer. Unzerstört hatte das Schwert in den Überresten des Scheiterhaufens gelegen, blank und glänzend, als könne ihm keine Flamme der Welt etwas anhaben. Was für furchtbare Kräfte steckten in der Waffe! Es erfüllte Gunter mit Schrecken, Sigfrids unbesiegbares Schwert auch nur anzurühren, dennoch zögerte er, es dem Rhein zu überantworten. Mimungs Summen erfüllte seinen Schwertarm, seinen Geist und flüsterte verlockend. War es nicht schade, eine solch herrliche Waffe in die schwarzen Tiefen des Flusses zu werfen? Nein, er brachte es einfach nicht über sich. Wie unter Zwang wickelte Gunter das Schwert wieder in das Tuch.
2
Es war dunkel, als sie die Burg der Niflungen erreichten, obwohl der Rückweg mit den leeren Wagen wesentlich schneller vonstatten ging als der Hinweg. Die Krieger, die mit ihnen ritten, waren ungewöhnlich schweigsam, Hagen konnte förmlich sehen, wie die Frage nach dem Versteck des Schatzes hinter ihrer Stirn brannte. Vermutlich würde der eine oder andere in den nächsten Tagen einen Ausflug an den Rhein machen. Hagen grinste. Es würde ihnen eine Menge Mühe ersparen, wenn sie gleich aufgaben.
Im Lichte eines Scheiterhaufens droschen Freie und Unfreie vor der Burg mit driskils auf die im Herbst geernteten Ähren ein, bis die Körner sich lösten. Anschließend warfen sie das Ergebnis mit kurzstieligen Schaufeln, den wintworfas , in den Wind, damit die Hülsen weggesprüht wurden. Das worfeln wurde begleitet von scherzhaften Bemerkungen und Gelächter, eine lange vermisste Fröhlichkeit lag über dem Platz.
Zu ihrer Überraschung wurden die Heimkehrenden bereits erwartet. Rodinger von Bakalar empfing sie am Tor. Gunter begab sich mit dem Gast in die Große Halle, wo eine Kohlepfanne ein wenig Wärme verbreitete, und fragte nach seinem Begehr.
»Der Wunsch meines Gefolgsherrn, König Attala, führt mich zu Euch. Wie Ihr sicher wisst, hat seine Frau, Königin Ercha, den Tod ihrer Söhne während des Krieges um das Reich von Didrik von Bern nicht verwunden und ist aus Gram gestorben. Attalas Berater drängen ihn, sich eine neue Frau zu suchen. Es ist nicht gut für einen Mann, ohne Weib zu sein. Ich habe ihm von Eurer Schwester erzählt. Ich glaube, auch für sie wäre es das Beste, sich wieder zu verheiraten. König Attala schickt mich als Brautwerber. Er sendet Euch kostbare Geschenke und bittet Euch, seine Werbung wohlwollend aufzunehmen. Ihr wisst, dass er ein mächtiger König ist, groß sind seine Taten, groß ist das Land, über das er herrscht. Er ist ein heilhafter Herr, der das Gold freigebig unter seinen Kriegern ausstreut.«
Gunter war überrascht, wenn er es auch mit keiner Miene verriet. Gewiss, Grimhilds Schönheit war weit über die Grenzen des Niflungenlandes hinaus bekannt, und sie brachte mit ihren Brüdern mächtige Verbündete in die Verbindung. Dennoch war es
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