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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Flamme erlosch das Leben des Schwarzalben. Mit ihm erlosch der letzte Funke, der Hagen noch mit der Menschheit verband.

Wolfszeit
1
    »Was soll ich mit ihm?«, schnaubte Attala, als sein Neffe ihm Gunter als Gefangenen vorführte. »Was bringst du ihn mir lebend?«
    »Er ist der König der Niflungen. Und er hat tapfer gekämpft.«
    »Er trägt die Verantwortung für das Leid, das seine Männer über mich brachten. Es ist, als hätte er selbst meinen Sohn getötet. Wirf ihn in die Schlangengrube!«
    Osid war wie vor den Kopf gestoßen. »Diese Behandlung ist eines tapferen Mannes unwürdig! «
    »Stellst du dich jetzt auch gegen mich? Ich habe dir einen Befehl gegeben!«
    »Wenn du das von mir verlangst, dann schwöre ich, dich nach dem Kampf zu verlassen. Niemals will ich einem Mann dienen, der so unehrenhaft handelt!«
    »Die Schlangengrube! Geh!«
    Gunter hatte noch kein Wort gesprochen. Nun jedoch sah er Grimhild an, die neben ihrem Mann stand. »Ist das auch dein Wille, Schwester?«, fragte er.
    Sie sah durch ihn hindurch, die Pupillen stark geweitet. Sigfrid lächelte ihr zu. Mit jedem getöteten Niflungen schloss sich seine Wunde ein Stück mehr, und der schwarze Eiter versiegte. »Ich habe es dir versprochen«, flüsterte sie, »und ich halte mein Versprechen.«
    Gunter wandte den Blick von ihr ab. Sie tat ihm leid. Sie hatte viel erdulden müssen durch seine Entscheidungen. Er hätte gern etwas gesagt, um ihre Qual zu lindern, aber da gab es nichts. Also fügte er sich einfach und ging willig mit seinen Feinden durch die Gassen von Susat bis zu einer mit Steinen verkleideten Grube hinter einem Palisadenzaun. Gunter blickte hinab in die Dunkelheit. Der Boden schien zu leben und sich über- und untereinander zu winden. Als seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, konnte er Einzelheiten erkennen. Unten wimmelte es von Schlangen.
    Osid löste seine Fesseln. »Vergebt mir!«, sagte er. »Hätte ich geahnt, was Euch bevorsteht, hätte ich Euch einen ehrenvollen Tod im Kampf zugestanden.«
    Mit einem Mal wurde Gunter ganz ruhig. Er war des ewigen Kämpfens überdrüssig. Das Leben bedeutete ihm nichts, schon lange nicht mehr. Seit Brünhild von ihm gegangen war, hatte er jede Freude am Dasein verloren. Sein Daumenstumpf, oberflächlich verbunden, pochte. Gunter zwang sich, in die dunkle Grube hinabzusehen. Vielleicht war er kein guter König gewesen, aber er würde ihnen zeigen, dass er wenigstens wie ein König zu sterben verstand. Der Tod ängstigte ihn nicht, ihn schauderte nur bei dem Gedanken, dass sein Geschlecht ausgelöscht werden und niemand übrig bleiben würde, um die Seele der Sippe weiterzutragen. »Ihr seid ein achtbarer Mann, Osid«, sagte er. »Es ist nicht Eure Schuld. Mein Königsheil war nie sehr stark.« Und ehe ihn jemand daran hindern konnte, sprang er von selbst in die Grube.
    Wie durch ein Wunder landete er unverletzt auf den Beinen, konnte allerdings nicht vermeiden, dass er auf eine Schlange trat. Instinktiv sprang er zur Seite, ehe ihr nach vorn schnellender Kopf ihn erreichte. Im diffusen Licht machte er Kreuzottern und die gefährlichen Aspisvipern aus, leicht erkennbar an der aufgeworfenen Maulspitze und dem dunklen Band, das sich von ihrem Auge bis zum Vorderteil des Rumpfes zog. Die Tiere fühlten sich bedroht. Lebhaftes Züngeln und das Zucken der Schwanzspitzen waren die äußeren Zeichen für die Unruhe, die er unter ihnen auslöste. Von allen Seiten glitten, schlängelten, krochen sie um ihn herum, da sie keinen Platz hatten, um ihm auszuweichen. Zudem hatte sie die Gefangenschaft auf engem Raum aggressiv gemacht.
    Blitzschnell schlug eine der Vipern ihre Zähne in seinen Körper. Der Niflungenkönig spürte, wie das Gift in ihn eindrang. Vergeblich versuchte er, sich des Angriffs zu erwehren; sechs, acht weitere Schlangen verbissen sich in ihm. Gunter atmete durch und ließ die Tiere aus seinem Würgegriff. Er hatte sich geschworen, wie ein König zu sterben, und diesen Schwur würde er halten. Sein Körper entspannte sich. Mit den Schlangen an seinem Leib hockte er sich nieder. Nach einer Weile gaben die Reptilien ihn frei und belauerten ihn, um die Wirkung des Giftes abzuwarten. Da er sich nicht regte, als Beute aber zu groß war, ließ ihr Interesse nach, und sie beruhigten sich wieder.
    Jetzt entdeckte Gunter die Gerippe früherer Opfer unter den sich windenden Leibern. Zuerst wollte er sich abwenden, doch dann trat er trotzig an den Haufen menschlicher Gebeine

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