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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Einzige von den gleichförmigen Bauten ab. Die meisten Häuser besaßen eigene Vorrats- und Abfallgruben. Gunter war sich nur allzu bewusst, dass sein aufgeputztes Gefolge hier, wo alles auf Zweckmäßigkeit hin angelegt war, wie ein Fremdkörper wirken musste. Er wollte Brünhild nicht verlegen machen, doch für Änderungen war es nun zu spät.
    Was ihn wirklich beeindruckte, war die vor dem Hauptgebäude errichtete Irminsul, eine aus dem Stamm einer Eiche hergestellte Säule, die die Welteibe Yggdrasil, die das Himmelsgewölbe trug, darstellte und eine Verbindung zwischen Himmel und Erde schuf. Hier hielten die Bewohner von Burg Seegard ihre religiösen Zeremonien ab. Nicht weit davon befand sich ein Phallus aus Stein. Der Niflunge erinnerte sich, dass die Sachsen Freyr, den Wanengott und Fruchtbarkeitsspender, verehrten. Allerdings nannten sie ihn Saxnot.
    Ein kahlköpfiger Mann kam auf ihn zugeeilt und bat die Gäste in die Große Halle, Brünhild sei bereit, sie zu empfangen. Plötzlich hatte Gunter es gar nicht mehr eilig. Ein Kloß steckte ihm im Hals. Er bereute bereits, hergekommen zu sein. Was hatte ihn nur dazu bewogen, um die Svawenkönigin zu freien? »Die Walküre« nannte man sie, unnahbar sollte sie sein. Konnte man ihr nicht einfach ausrichten lassen, dass es schon spät sei und man weiter müsse? Mit Panik im Herzen folgte Gunter dem Mann.
    Der Boden der Großen Halle bestand aus festgestampfter Erde, ringsum an den Wänden verliefen Holzbänke. Im Winter wurden hier vermutlich die Unfreien untergebracht, die jetzt unter freiem Himmel schliefen. Wandteppiche gab es kaum, stattdessen war ein großer Teil der Wände bemalt und mit Blumen geschmückt worden. Vorhänge aus grobem, aber farbenfrohem Stoff schufen eine freundliche Atmosphäre.
    Was Gunters Augen jedoch mehr als alles andere auf sich zog, war die Frau, die auf dem Hochsitz saß und sie erwartete. Ihre Haltung ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sie eine Königin war. Sie vermittelte ihren Besuchern den Eindruck, sich nicht in einem armseligen Holzhaus, sondern in einem üppig ausgestatteten Palast zu befinden. Eine geringere Frau hätte sich mit Schmuck behängt, um die Armut zu kaschieren, sie dagegen beschränkte sich auf wenige Zeichen, die ihre natürliche Schönheit und ihre königliche Würde unterstützten: ein weißes Band in ihrem schwarzen Haar, das dieses reizvoll kontrastierte, ein dunkelrotes, bis auf den Boden fallendes Leinengewand, das von einem goldenen Gürtel gehalten wurde und ihre Figur betonte, und ein Amulett zwischen dem Ansatz ihrer Brüste. Einzig der breite Armring aus Gold wirkte übertrieben und störte die Harmonie ihrer Erscheinung.
    Gunter hatte es die Sprache verschlagen. Seine Gewährsleute hatten ihm von der Schönheit der Königin berichtet, aber die Wirklichkeit raubte ihm den Atem. Und er wollte um diese Nymphe freien? Was für ein Sakrileg! Nie würde solch eine Göttin ihm folgen. Hilflos drehte er sich zum Ausgang um, der unerreichbar fern schien.
    Auch Sigfrid sah sich neugierig um. Die Einrichtung des Raumes erinnerte ihn an seine Heimat; in Tarlungenland ging es ähnlich schmucklos zu. Doch seine Sinne waren durch den langen Aufenthalt bei den Niflungen verwöhnt. Er sah das Sachsenland jetzt zum ersten Mal mit den Augen der Gäste und fühlte so etwas wie Scham in sich aufsteigen. Als er die Königin gewahrte, durchlief ein Zittern seinen Körper, das er sich nicht erklären konnte. Sie war ihm seltsam vertraut. Natürlich, er hatte sie ja König Gunter beschrieben, also musste er sie schon einmal gesehen haben, nicht wahr? Aber wann und wo? Er konnte sich einfach nicht erinnern. Sein Gedächtnis spielte ihm wieder Streiche.
    Brünhild bemühte sich, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen, und flüchtete in eine königliche Haltung. Äußerlich ruhig sah sie den Besuchern entgegen. König Gunter machte einen recht gewöhnlichen Eindruck. Für einen so mächtigen Herrscher wirkte er enttäuschend. Ihr Blick wanderte daher rasch weiter und befasste sich eine Weile mit dem Einäugigen an seiner Seite. Das war also der legendäre Hagen, der angeblich zur Hälfte von den Alben abstammte! Sie hütete sich, mit ihren Augen zu verraten, woran sie dachte.
    Hagen wusste es dennoch. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, diese Art Blicke zu deuten. Ihm war auch nicht entgangen, dass ihre Augen Gunter nur flüchtig streiften und dann achtlos weiterglitten, während der Niflungenkönig sie

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