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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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anstarrte wie ein Wunder, und er begann zu ahnen, dass die Nornen einen ihrer bösen Scherze vorbereiteten, die erst endeten, wenn sich das Gewebe ihres Schicksalsteppichs blutrot färbte.
    Erst ganz zum Schluss wandte sich Brünhild Sigfrid zu. Es war ein köstlicher Moment, den sie bewusst hinausgezögert hatte. Der heiße Stich in ihrem Bauch kam erwartet. Sigfrid hatte sich kaum verändert, er war noch immer der große Junge mit den verträumten blauen Augen. Nein, das stimmte nicht: Er war zu einem Mann gereift. Er bewegte sich mit der Erfahrung eines Kriegers, der seinen Platz behaupten konnte. Aber der Schalk saß ihm wie eh und je im Nacken, und seine Zähne blitzten, wenn er grinste. Ihr war flau im Magen, und sie wandte sich rasch den anderen Besuchern zu, um ihr inneres Gleichgewicht zurückzugewinnen.
    Nachdem sie die zeremonielle Begrüßung hinter sich gebracht hatten, kam Sigfrid sogleich auf den Grund ihres Kommens zu sprechen. » Frūa , Ihr und ich sind Nachbarn seit langer Zeit, Euer Wohlergehen liegt mir ebenso am Herzen wie mein eigenes. Daher bitte ich Euch, mir Gehör zu schenken.«
    Brünhild gab sich Mühe, ein Lächeln zurückzuhalten. Der liebe Junge! Wie umständlich er daherredete! Dabei hätte er nur seine Hand auszustrecken brauchen, und sie wäre zu ihm geeilt. »Fahrt fort«, ermunterte sie ihn, »und seid gewiss, dass Eure Worte auf fruchtbaren Boden fallen.«
    »Dank dafür, frūa ! Nun, also: Ich bin gekommen, um König Gunter in einem Anliegen zu unterstützen, welches er Euch selbst vortragen wird.«
    Der Niflungenkönig wusste, dass jetzt die Zeit gekommen war, zu reden wie nie zuvor. Doch seine Stimme versagte. Es wäre die Aufgabe eines Werbers gewesen, in seinem Namen um sie zu freien und die Bedingungen auszuhandeln, ehe er sie holen kam, nicht wahr? Was hatte ihn nur dazu gebracht, sich selbst auf den Weg zu machen? Vermutlich der Wunsch, wenigstens einmal sein Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Doch bei der Sprachlosigkeit, die ihr Anblick in ihm auslöste, konnte davon keine Rede sein. Aber wie hätte er auch ahnen können, dass im Schatten seines Herzens eine so unglaubliche Schwäche verborgen lag? Die Unbeholfenheit, mit der Sigfrid um Grimhild geworben hatte, fiel ihm wieder ein, und er hatte den Verdacht, dass er in diesem Moment eine nicht weniger alberne Figur abgab. Für eine solche Aufgabe waren Männer nicht gemacht! Ihr Platz war der Kampf, die Walstatt, nicht das Schlachtfeld der süßen Worte!
    Er riss sich zusammen und sagte: »Verzeiht meine Kühnheit, frouwa ! Ihr kennt mein Reich und meinen Namen, und wenn ich auch nur mit einem kleinen Gefolge gekommen bin, so denke ich doch, dass Ihr mich nicht für einen unbedeutenden Jarl halten werdet.« Er hielt inne, unterdrückte den Wunsch, sich verlegen am Bart zu zupfen, und ließ seine Augen Hilfe suchend umherirren. Mit allem Mut, zu dem er fähig war, fuhr er fort: »Nehmt es als Ausdruck meiner besonderen Wertschätzung für Euch, dass ich selbst gekommen bin, um Euch zu bitten   … um   … nun, um Euch zu bitten, meine Frau zu werden. Ich lege Euch mein Reich und   … mein Herz zu Füßen. Verfügt über beides nach Belieben!«
    Brünhild wurde aschfahl. Das musste ein Irrtum sein! Ihr Blick flackerte zu Sigfrid. Konnte er, nach allem, was zwischen ihnen gewesen war, herkommen und sie für einen anderen bitten? Radegunde hatte recht: Er hatte niemals ernste Absichten gehabt!
    Sigfrid ergriff das Wort: »Wir wissen, wie sehr Ihr Euer Land liebt. König Gunter ist ein Mann von Ehre, er verspricht, Euer Reich gegen alle Feinde zu verteidigen, es aber nicht in Abhängigkeit von Niflungenland zu bringen. Er ist reich und mächtig genug, um Euch zu erlauben, einen Stellvertreter nach Eurer Wahl zu bestimmen, der Svawenland regiert, wenn Ihr Euch entschließen könnt, ihm zu folgen und sein Weib zu werden.«
    Irgendwie schaffte es Brünhild, aufrecht stehen zu bleiben und ihre Würde zu bewahren. Ihre Finger suchten die beruhigende Wärme des Armringes. Er hat dich belogen , wisperte eine Stimme und wob ein Netz wirrer Gefühle in ihrem Herzen. »Ich   … werde darüber nachdenken«, sagte sie erstickt, um das unerträgliche Gespräch zu beenden. Ging denn dieser Augenblick nie vorüber? »Ich lasse Euch meine Antwort morgen wissen.«
    Erleichtert, ihrem prüfenden Blick zu entrinnen, verbeugte sich Gunter und floh mehr aus der Halle, als dass er ging.
    Es gelang Brünhild, ihre Selbstbeherrschung

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