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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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zuverlässigen Gefolgsmann.
    An der Tatsache, dass sein Adamsapfel nervös auf und ab hüpfte, erkannte die Königin, wie aufgeregt er war. »Was gibt es?«
    »Ein Bote ist angekommen. Er   … er brachte eine Nachricht.«
    »Das haben Boten so an sich«, meinte Radegunde. »Stammele nicht herum, Hugbald, wie soll frūa Brünhild verstehen, was du meinst?«
    Sein Adamsapfel hüpfte stärker. »Ein Gefolge kommt. Ein großes Gefolge. Sie sind schon auf dem Weg hierher und werden wohl gegen Abend eintreffen.«
    Nun verstand Brünhild seine Aufregung. Besuch war selten, und auf viele Menschen waren sie nicht eingerichtet. Sie warf einen raschen Blick durch den Raum.
    Die Behausung der Svawenkönigin unterschied sich nicht von denen ihrer Gefolgsleute, auch sie lebte in einem Wohnstallhaus und teilte ihre vier Wände mit dem Vieh, das Teil ihrer Lebensgrundlage war. An den Geruch der Tiere war sie ebenso gewöhnt wie an die hölzernen Jaucherinnen, die die Fäkalien der Pferde, Rinder und Schweine aufnahmen. Der einzige Luxus war der Fußboden des Wohnteils, der aus Stein bestand statt aus Holzbohlen. Und kostbare Felle lagen auf der Bank, die an der inneren Hauswand entlanglief und zugleich als Sitzgelegenheit und Schlafplatz diente. Neben ein paar Truhen und einem Tisch beherrschte der Webstuhl das Bild des Raumes. Brünhild mochte die beruhigende Arbeit des Webens, aber sie kam leider selten dazu. Zu viele Dinge verlangten ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
    »Hast du erfahren können, wer sie sind und was sie wollen?«, fragte sie ihren Gefolgsmann.
    Hugbald versuchte, gleichzeitig zu nicken und mit dem Kopf zu schütteln, was zu einer komischen Verrenkung führte. »Den Grund ihres Besuches kenne ich nicht, aber der Bote bat um Gastfreundschaft im Namen von König Gunter von Niflungenland und frōho Sigfrid.«
    Ein Stich im Herzen ließ Brünhild schwanken. Der goldene Ring an ihrem Arm strahlte eine plötzliche Wärme aus und schien einen Gedanken in ihrem Kopf zu formen. Er kommt zurück! Triumphierend sah sie ihre Dienerin an: Ich habe es gewusst! »Bereite alles für die Ankunft vor!«, befahl sie Hugbald. »Wir wollen sie gebührend empfangen.«
    Der alte Krieger nickte und entfernte sich, nicht ohne einen verlegenen Blick auf Radegunde.
    Brünhild konnte es kaum erwarten, Sigfrid von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Wie seine Züge sich wohl verändert hatten? Doch genug der Träumereien, erst einmal musste sie ihn und die anderen Gäste empfangen, wie es sich für eine Königin geziemte. Hektische rote Flecken breiteten sich auf ihren Wangen aus. »Du musst mich färben und neu einkleiden!«, sagte sie zu ihrer Dienerin. »So beeil dich doch!«
    Radegunde vermied es, darauf hinzuweisen, dass bis zum Abend noch reichlich Zeit blieb. Eine unerklärliche Angst um ihre Gefolgsherrin bemächtigte sich ihrer. Wo war der klare Verstand geblieben, der die Königin gewöhnlich auszeichnete? Warum stellte sie sich nicht die nahe liegende Frage: Wenn Sigfrid, wie Brünhild annahm, um sie freien wollte   – warum kam er dann mit einem fremden König und seinem Gefolge?
2
    Nach und nach füllte sich der Platz vor Burg Seegard, bis sämtliche Niflungen eingetroffen waren. Hugbald überwachte ihre Ankunft. Unfreie nahmen den Gästen die Pferde ab und wiesen ihnen Hütten oder, da diese im Nu hoffnungslos überfüllt waren, Lagerplätze inner- und außerhalb des Wehrzaunes zu. Immer wieder glitten ihre Augen scheu zu Hagen hinüber, und dann und wann steckten sie ihre Köpfe zusammen, wenn sie sich unbeobachtet glaubten.
    Gunter fröstelte. Das Klima bei den Sachsen war kalt, feucht und unangenehm. Wie konnte jemand freiwillig hier leben? Schon jetzt vermisste er den blauen Himmel seiner Heimat. Er schüttelte den Schlamm von seinen Schuhen und bemühte sich um eine vorurteilsfreie Bewertung. Die schmucklose Ursprünglichkeit Burg Seegards entsetzte und beeindruckte ihn gleichermaßen. Der Ort war an einer Quelle angelegt worden, Brunnen leisteten sich die Sachsen selten. Innerhalb der hölzernen Palisade verteilten sich etwa zwanzig Häuser in Ost-West-Richtung, um den vorherrschenden Westwinden wenig Widerstand zu bieten. Es waren überwiegend dreischiffige Häuser mit tief herabgezogenen Dächern aus Rohr und Schilf. Die Wände bestanden aus lehmverstrichenem Flechtwerk, das Holz war wurmzerfressen. Ein abseits gelegener Speicher und ein größeres Gebäude, das wohl als Große Halle diente, hoben sich als

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