Der Ruf Der Walkueren
zu erwidern.
Sie stieß ihn von sich. »Wo warst du?«, rief sie aufgebracht.
»Was meinst du?«, fragte er irritiert. Dann dämmerte ihm, was sie meinte. »Bei Brünhild«, erwiderte er geheimnisvoll.
Sie stieß ein Schluchzen aus und wandte sich ab, um ihr Gesicht zu verbergen. »Verflucht seist du!«
Wieder war er von ihrer Reaktion überrascht. Was hatte sie nur? Warum benahm sie sich so sonderbar? Er trat hinter sie, um sie zu umarmen. Für einen Augenblick, der zwischen den Zeiten lag, sah er schwarzes Haar, wo blonde Strähnen über ihre Schultern fielen, und er wusste, alles war falsch. Doch der Augenblick ging vorüber und ließ an seiner Stelle eine Lücke zurück. Sigfrid legte die Arme um seine Frau. Sie wehrte sich und machte sich frei. »Was ist nur los mit dir?«, wunderte er sich.
»Was los ist?« Ihre Augen sprühten Feuer. »Was wolltest du von Brünhild?«
Jetzt endlich glaubte er zu verstehen und lachte schallend.
»Was ist daran so komisch?«
Er ergriff ihre Hände. »Beruhige dich, Grimhild! Es ist nicht wie du denkst.« Er setzte sich auf die Bettkante und zog sie neben sich. Dann hielt er inne. Durfte er verraten, was ihm im Vertrauen offenbart wurde? Es war Gunters Geheimnis, nicht seines. Andererseits stand das Glück seiner Ehe auf dem Spiel, wenn sie glaubte, dass er hinter ihrem Rücken einer anderen Frau schön tat. Sie war Gunters Schwester, was sollte schon passieren, wenn er es ihr erzählte? Er sah ihr eindringlich in die Augen. »Du darfst zu niemandem darüber sprechen, hörst du?«
Grimhild war auf die verschiedensten Ausreden gefasst gewesen, aber nicht auf den Ernst in seiner Stimme. »Natürlich«, antwortete sie verwirrt.
»Gunter war … er brauchte meine Hilfe. Brünhild verweigert sich ihm.«
»Du meinst … er hat ihr noch nicht beigelegen?«
»Nun, ich nehme an, im Augenblick tut er es.«
Ihre Augen wurden schmal. »Und wie hast du ihm dabei geholfen?«
»Brünhild bedrohte Gunter mit einem Dolch. Ich habe ihn ihr im Dunkeln an seiner Stelle abgenommen und sie bezwungen.«
Grimhild fing an, ihm zu glauben. Es lag nicht in Sigfrids Natur, sich solch eine Geschichte auszudenken. Und Gunter … ja, er würde zaudern und zagen und zulassen, dass seine Frau einen Narren aus ihm machte. Ihr Bruder tat ihr leid. Er musste diese Frau sehr lieben. Was hatte die Sächsin bloß an sich, dass alle Männer sie begehrten? War sie nicht viel schöner mit ihrem blonden Haar? Nein, es tat ihr kein bisschen leid, dass sie ihr Sigfrid weggenommen hatte!
Plötzlich entdeckte sie einen dunklen Fleck auf dem Bett. »Du blutest!«, sagte sie überrascht.
Ungläubig folgte Sigfrid ihrem Blick. Wie war so etwas möglich?
Grimhild hatte schon die einzig denkbare Schlussfolgerung gezogen. »Dreh dich um!«, sagte sie. Wirklich befand sich zwischen seinen Schulterblättern eine Fleischwunde.
Während sie die Verletzung säuberte, beantwortete er ihre Fragen. War Brünhild bekleidet gewesen? Was genau hatte sie gesagt? Hatte sie geweint, nachdem er sie entwaffnet hatte? Je länger er redete, desto unbehaglicher fühlte sich Sigfrid. Dabei bestand dazu überhaupt kein Anlass. Was war schon geschehen? Gut, er hatte Brünhild einen Kuss gegeben, den er Grimhild wohlweislich verschwieg, aber das war kaum ein ausreichender Grund für dieses beharrliche Gefühl, etwas Unrechtes getan zu haben. Warum also fühlte er sich trotzdem wie ein Eidbrecher? Und warum, vor allen Dingen, war es Brünhild, der gegenüber er sich schuldig fühlte?
»Was hast du da?«
Grimhilds Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Unbeabsichtigt hatte er den Armreif der Königin hin und her gedreht. »Brünhilds Ring«, sagte er stirnrunzelnd. »Ich muss ihn ihr abgenommen haben. Aber ich kann mich nicht daran erinnern.« Er hob ihn hoch. Auf immer vorbei, ging ihm durch den Sinn. Wie kam er auf diese Worte?
Der Kloß in Grimhilds Kehle wurde dicker. »Ihr … Ring?« Zögernd griff sie danach.
Sigfrid schloss die Hände um das Schmuckstück, ehe sie es berühren konnte. »Ich werde ihn verschließen, damit er keinen Schaden anrichten kann.«
Alles drehte sich um Grimhild. Warum fühlte sie sich mit einem Mal so schwach? Sicher war es doch ein gutes Zeichen, dass Sigfrid der Svawenkönigin den Ring abgenommen hatte? Bedeutete es denn nicht, dass er ihr Verhältnis als beendet betrachtete? Sie sah seine zerstreuten Bewegungen und wusste, dass es nicht so war.
Geistesabwesend kramte er den Lederbeutel
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