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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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gerade fort, in frō Sigfrids Heimat. Wusstest du das nicht?«
    Kälte löschte Brünhilds Wut mit einem Schlag aus. Er ritt heim, ohne sich von ihr zu verabschieden! Nach Tarlungenland, wo sie mit ihm glücklich sein sollte! So schnell ihre Füße sie trugen, eilte sie in den Burghof. Erst, als sie atemlos vor den Reitern zum Stehen kam, wurde ihr bewusst, dass sie keine Ahnung hatte, was sie sagen sollte. »Du   … du gehst ohne Abschied, frōho «, stotterte sie.
    »Ich bin froh, dass ich dich noch einmal zu sehen bekomme«, sagte er. »Ich verspreche dir, frūa , dich über alles zu unterrichten, was in Svawenland vor sich geht. Ich werde Hugbald einladen, auf die Burg meines Vaters zu kommen, und ihm berichten, dass du hier freundlich aufgenommen wurdest. Ich wünsche dir Heil an der Seite deines Mannes.«
    Brünhild wollte etwas sagen, aber sie brachte kein Wort heraus. Sie wollte schreien, ihm seine Worte ins Gesicht schlagen, aber sie war wie betäubt. Grane, Sigfrids Hengst, stupste sie an. Instinktiv fuhr sie ihm über die Nüstern. Wenigstens einer, der mich nicht vergessen hat, dachte sie.
    Grimhild vermied es, ihre Rivalin anzublicken. Eine Ewigkeit beschäftigte sie sich mit den Verschlüssen einer Packtasche, die längst gesichert war, um nicht das Leid auf Brünhilds Gesicht mit ansehen zu müssen. Warum gab Sigfrid nicht endlich das Zeichen zum Aufbruch? Da nickte er auch schon den Versammelten zu, zog sein Pferd herum und galoppierte aus dem Tor. Erleichtert folgte ihm Grimhild mit Eckewart und der Eskorte.
    Fassungslos sah Brünhild ihnen nach. Dort ritt der Mann, mit dem sie ihr Leben teilen wollte. Dort ritt ihr wahrer und einziger Gemahl. Jetzt, erst jetzt fing sie an, das Ausmaß des Ganzen zu begreifen. Für alle Ewigkeiten war sie nun an einen Fremden gebunden, während Sigfrid   – ihr Sigfrid!   – mit einer anderen Frau fortritt.
    Gunter legte ihr behutsam die Hand auf die Schulter. »Du frierst, Liebes! Mitten im Sommer.« Sie nahm ihn nicht einmal wahr, und nach einer Weile zog er seine Hand zurück. Ein paar Atemzüge lang wartete er noch, aber da ihm nichts einfiel, was er tun oder sagen konnte, drehte er sich schließlich um und ging mit schleppenden Schritten ins Haus zurück.
    Noch lange stand Brünhild vor dem Tor und sah in die Ferne, ohne etwas zu sehen. Und während die Sonne auf sie herniederbrannte, konnte sie spüren, wie ihr Herz vereiste und dabei immer kleiner wurde, bis zuletzt nichts mehr übrig war in ihrer Brust als ein winziger, zusammengeschrumpfter Eiskristall.

II
Herbst 472, fünf Jahre zuvor

Das Schwert der Schwerter
1
    Mime holte die verrosteten Eisenplatten aus dem Erdloch und legte frisch geschmiedete an ihrer statt hinein. Es war eine notwendige, aber langweilige Arbeit, und er sah gern zu, dass er sie hinter sich brachte. Trotz der schweißtreibenden Tätigkeit war ihm kalt; der nahende Winter kündigte sich an. Ein Schwarm Zugvögel machte sich unter lautem Geschrei auf den Weg nach Süden. Die zahmen Gänse des Schmieds schnatterten laut und stritten sich um das magere Gras hinter der Hütte.
    »Was tut Ihr da?«, fragte eine Stimme.
    Mime sah sich um. Vor ihm stand ein schlaksiger Jüngling von vielleicht dreizehn Jahren. Zweige hingen in seinen blonden Haaren, seine Kleidung war mit Moosflecken und Erde bedeckt. An der Hand führte er einen struppigen schwarzen Hengst, dessen Fell von losen Haaren, Schmutz und Schweiß verklebt war. Mime runzelte die Stirn. Nachlässigkeiten dieser Art machten ihn wütend, sie zeugten von mangelnder Achtung vor den Kräften des Lebens. »Wie heißt Ihr? Was ist Euer Begehr?«, fragte er unfreundlich.
    »Ich bin ein unbekannter Krieger, der Heldentaten vollbringen will.«
    Mime lachte schallend.
    »Was ist daran so komisch?«
    »Nichts, nichts!« Der Schmied wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. »Immerhin sieht der unbekannte Krieger König Sigmunds Sohn recht ähnlich.«
    Wütend darüber, dass er erkannt worden war, zog Sigfrid sein Schwert. Es war ein Sax, reich verziert, aber schlecht geschmiedet, registrierte Mime. »Ich werde nicht zulassen, dass Ihr mich verspottet!«, schrie der Junge.
    »Steckt Euer Schwert wieder ein, es war nicht so gemeint! Wer immer Ihr sein wollt, ich heiße Euch willkommen.«
    Nach einem Augenblick des Nachdenkens schob Sigfrid sein Schwert in die Scheide zurück. »Eure Entschuldigung ist angenommen.«
    Mime gab sich Mühe, sich das Grinsen zu verkneifen. Dann erinnerte er

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