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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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sich an die Gebote der Gastfreundschaft. »Ich wollte ohnehin gerade etwas essen. Kommt herein und stärkt Euch, ehe Ihr weitere Heldentaten vollbringt. Ihr seht hungrig aus.«
    Sigfrid griff wieder zum Schwert. Doch Hunger und Durst erwiesen sich als stärker als sein heißes Blut, und so folgte er dem Schmied finster dreinblickend in dessen Hütte.
    Jetzt erst beantwortete Mime seine Frage. »Ich habe die Platten vor vielen Jahren vergraben, damit der Rost die schwächsten Teile ausfrisst. Was übrig bleibt, ist von hervorragender Qualität. Ich werde Meisterschwerter daraus schmieden, denen weder Schild noch Helm widerstehen kann.«
    Während der Schmied rohes Gemüse und Beeren herbeiholte, bekam Sigfrid zum ersten Mal Gelegenheit, ihn genauer zu betrachten. Mime war ein stämmiger Mann mit einem Stiernacken, warzenübersätem Gesicht und schwieligen Händen. Der Zustand seiner rußigen, mit Brandflecken übersäten Kleider schien ihn ebenso wenig zu kümmern wie der seiner verdreckten Hütte.
    Sigfrids Blick wanderte weiter. Boden und Werkbänke der Schmiede bestanden aus sonnengetrocknetem Lehm. Das Strohdach wurde von hölzernen Balken gehalten und stand an zwei Seiten über, ein natürlicher Abzug für den Rauch. Über dem Schmiedefeuer kochte ein Brei, der ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Prunkstück der Hütte war ein eiserner Amboss. Sigfrid hatte noch nie einen Amboss aus Eisen gesehen, alle Schmiede, die er kannte, verwendeten steinerne. Werkzeuge steckten in durchlöcherten Brettern: Zangen, Meißel, Hämmer, Feilen. Fasziniert entdeckte der Junge in einer Ecke die fertigen Schwerter, Schilde, Sicheln und sogar eine Pflugschar.
    »Interessiert Euch meine Arbeit?«, fragte Mime, als er den Kessel vom Feuer nahm, zwei hölzerne Schalen füllte und auf den Tisch stellte. »Die beste Schmiedearbeit, die Ihr bekommen könnt.«
    Bewundernd betrachtete Sigfrid die Waffen. Es waren ausnahmslos Meisterstücke, soviel verstand er davon. Sein eigenes Schwert kam ihm plötzlich schäbig vor. »Macht mir auch so ein Schwert!«, sagte er.
    Mime lachte polternd. »Das könnt Ihr im Leben nicht bezahlen.«
    »Dann lasst mich bleiben! Bringt mir bei, wie ich es mir selbst schmieden kann!«
    »Was sagt Ihr?«
    »Nehmt mich bei Euch auf! Lehrt mich Eure Kunst!«
    »Mein letzter Lehrjunge hat gerade seine Lehrzeit beendet   … ich hatte noch keine Zeit, mich um einen neuen zu kümmern.« Mime musterte Sigfrid nachdenklich. »Schwächlich seht Ihr nicht aus.« Und wenn König Sigmunds Sohn meinte, er müsse das Schmiedehandwerk lernen, statt sich darauf vorzubereiten, wie man ein guter Gefolgsherr wird, ging ihn das nichts an. Er vertrat den Standpunkt, dass es jedermanns eigene Sache war, einen Narren aus sich zu machen. »Also gut, ich will es mit Euch versuchen.« Er hielt ihm die Hand hin. »Wenn Ihr tüchtig seid, schenke ich Euch ein Schwert zum Abschied.«
    Schnell schlug der Tarlunge ein, ehe der Schmied es sich anders überlegte. Damit war die Abmachung besiegelt. Sie hatten eine Art Gefolgschaftsverhältnis begründet und einander als gesīp willkommen geheißen.
    Sigfrid wurde rot vor Aufregung. Als er von zu Hause fortgelaufen war, war das aus einer impulsiven Aufwallung heraus geschehen. Er hatte genug davon, bevormundet und von allem, was dem Leben Würze verlieh, ausgeschlossen zu werden, weil er angeblich, wie sein Vater nicht müde wurde zu betonen, »nicht reif genug« war. Aber ein Mann konnte nicht warten, bis die Prüfungen des Lebens an ihn herantraten. Deshalb war er mit nichts weiter als Pferd und Schwert davongelaufen, um erst wieder zurückzukehren, wenn er sich Ruhm erworben hatte. Inzwischen gestand er sich ein, dass er wenigstens etwas zu Essen und zu Trinken hätte mitnehmen sollen. Aber er war nicht umgekehrt, als ihn der Hunger plagte, und darauf zumindest war er stolz. Er hatte gelernt, sich von dem zu ernähren, was der Wald ihm gab. Dennoch war er mehr als froh, wieder eine anständige Mahlzeit zu bekommen.
    Mime warf einen kleinen Teil von jeder Speise für den Hausgeist ins Schmiedefeuer. Sigfrid tat es ihm nach und begann heißhungrig zu essen, während der Schmied zwei Becher mit Wasser füllte. »Ich hoffe, du bist dein Essen wert«, stichelte er.
    »Das werde ich dir schon beweisen!«, erwiderte der Junge hitzig.
    Mime drückte ihn auf seinen Platz zurück. »Zunächst einmal nennst du mich Meister.«
    Sigfrid schluckte eine zornige Erwiderung hinunter. »Ja   –

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