Der Ruf Der Walkueren
seinen Hammer mit einer Leichtigkeit, als handele es sich um ein Schwert. Er geriet nicht einmal außer Atem.
Schließlich war der erste Teil der Arbeit beendet. Mime zeigte ihm den fertigen Stab, eine viereckige Stange, dünner als ein Finger. »Kannst du die Klinge darin sehen?«
Sigfrid schüttelte den Kopf. Irgendwie war er enttäuscht. Das sollte ein Schwert werden?
»Das solltest du aber, wenn du ein Schmied sein willst. Die Gestalt des Schwertes liegt bereits im Metall verborgen. Du musst sie in deinem Kopf und deinem Herzen wachrufen, darin liegt die Kunst des Schmiedes. Das Erz kann es spüren. Ich bringe es dazu, seine künftige Gestalt zu träumen. Eisen will verändert werden. Wie alles, was lebt, sehnt sich die Seele des Steins nach Wandlung in eine höhere Form. Ich helfe ihm dabei. Ohne mich und mein Feuer kann es sich nicht wandeln, ohne das Einverständnis des Eisens erhalte ich kein Schwert. Wir dienen uns gegenseitig.«
Sigfrid hatte Stoff zum Nachdenken, während er wieder die Blasebälge bediente. Er sah sein Schwert jetzt mit anderen Augen.
Erneut brachte Mime den Stab zum Glühen und legte ihn auf den Amboss. »Halt fest!«
Erschrocken ergriff Sigfrid die Zange. Ein merkwürdiges Gefühl durchlief ihn, als er so in direktem Kontakt zur Kraft von Erde und Feuer stand. Fast konnte er das megin in seinen Händen spüren, das durch die Vereinigung der Elemente freigesetzt wurde.
»Metall ist träge, von schwerer Erdkraft«, erklärte der Schmied. »Es braucht die zornige Energie des Feuers, um sich zu wandeln. So, wie uns das Feuer der Mittsommernacht reinigt oder der Scheiterhaufen die Toten, ehe sie nach Walhall gehen, so reinigt das Schmiedefeuer das Erz. Es muss durch den Schmerz des Feuers gehen, um am Ende in neuer Gestalt wiedergeboren zu werden.«
Mime holte zwei weitere Zangen aus einem Werkzeugbrett und verdrehte den Stab ineinander, bis die unterschiedlichen Materialien unauflöslich verbunden waren. Dann nahm er dem Jungen den Stab aus der Hand, erhitzte ihn erneut und brachte ihn durch Hämmern in eine quadratische Form. Insgesamt drei solcher Stäbe stellte er her, legte sie in unterschiedlicher Drehrichtung aneinander und hielt sie in die Flamme, um sie zusammenzuschweißen. Fasziniert verfolgte Sigfrid den Augenblick der Vereinigung von Feuer und Erde, die neues Leben erschuf. Das Metall schrie – nicht aus Wut oder Schmerz, sondern aus purer Lust. Mimes Körper sang im selben Rhythmus und gab den lustvollen Schrei zurück. Trunken vor Ekstase fügte er das Klingen von Hammer auf Metall der Musik des Paarungstanzes hinzu und schmiedete ein Ende des Stabes spitz aus. Allmählich konnte Sigfrid die Schwertklinge erahnen, die daraus entstehen würde.
Als Mime einen Stahlstab für die Schneide formte und an das Damastkernstück schweißte, begann das Feuer nachzulassen. »Was ist los?«, fuhr er seinen Lehrling an. »Mehr Feuer! Pass gefälligst auf!«
Furchtsam deutete Sigfrid auf den Eingang der Hütte.
Mime drehte sich um. Er hatte die beiden Besucher weder kommen gehört noch gesehen. Es war ihre Art, sich lautlos zu bewegen. Lange war es her, dass die Schwarzalben das letzte Mal etwas von ihm gewollt hatten. Sie wagten sich nicht mehr oft unter Menschen. Der Schmied wandte sich ab, ohne ihnen einen Gruß zu entbieten, und fuhr den wie zur Salzsäule erstarrten Sigfrid an: »Wenn dieses Schwert durch deine Schuld verformt wird, wirst du es mir ersetzen.«
Hastig nahm der Junge die Blasebälge wieder in Betrieb. Ohne sich um die Eindringlinge zu kümmern, setzte Mime seine Arbeit fort. Sie schienen zu wissen, dass man nicht einfach mitten in der Bearbeitung von Eisen aufhörte, und warteten in stummer Geduld. Ein Geruch nach Laub und Erde ging von ihnen aus. Sigfrid war sich ihrer Gegenwart die ganze Zeit bewusst und machte Fehler. Der Schmied musste ihn mehr als einmal anfahren, sich auf die Arbeit zu konzentrieren.
Mime mochte die Schwarzalben nicht. Sie waren verschlossen und lichtscheu und lebten im Inneren der Erde, was allein schon jeder freie Sachse mit Misstrauen beäugen musste. Sie richteten Unheil an, wo sie gingen, oft genügte schon ein bloßer Anhauch von einem von ihnen, um Krankheit, Seuche, Tod zu bewirken. Zahllose dunkle Legenden rankten sich um sie, und soweit es ihn betraf, waren sie vermutlich wahr. Aber sie zahlten in Gold. Deshalb legte er, als die Klinge geschmiedet war, den Hammer beiseite, schickte seinen Lehrling fort und wandte sich ihnen
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