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Der Ruf Der Walkueren

Der Ruf Der Walkueren

Titel: Der Ruf Der Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Kunz
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Dann würde sein Meister ihn nicht länger wie einen Dummkopf behandeln.
    Sigfrid nahm die Klinge aus dem Feuer; sie schien heiß genug zu sein. Ganz sicher war er nicht, aber es machte wohl keinen großen Unterschied. Sollte das Metall noch zu hart sein, würde er das eben durch größere Körperkraft wettmachen. Er legte die Klinge auf den Amboss. Seine Hand zitterte, aber aus Vorfreude, nicht aus Furcht. Er versuchte, das Jauchzen herbeizurufen, das er in Mimes Muskeln gesehen hatte, und schwang den Schmiedehammer mit Wucht.
    Es gab einen disharmonischen Klang, als er auf das Metall traf, ganz anders als bei Mime. Sigfrid erkannte, dass er den Hieb nicht präzise genug geführt hatte. Die Spitze der Axt war verbogen. Doch das war kein Problem, mit dem nächsten Schlag konnte er sie wieder richten. Er versuchte, dem Eisen das Bild zu übermitteln, wie es sich verformen sollte, irgendwie spitz!, und holte erneut aus. Wieder gab es einen misstönenden Klang, und wenn der zweite Schlag auch besser war als der erste, so wurde doch die Deformation größer statt kleiner.
    Wut flammte in Sigfrid auf, Wut auf den Hammer, der ihm sein Heil verweigerte, auf die Klinge, die sich nicht nach seinen Wünschen verformte. Verhöhnte ihn das Eisen? Sein dritter Schlag, von Jähzorn geführt, traf das Metallstück so unglücklich, dass es ihm aus der Hand gerissen wurde und mitsamt Zange durch die Hütte flog.
    Zu einem vierten Schlag kam er nicht, denn Mime entwendete ihm den Hammer und schlug ihn mit der Faust zu Boden. Der Schmied raste vor Zorn. »Die Arbeit eines halben Tages!«, schäumte er. »Habe ich dir nicht gesagt, du musst erst lernen, den Hammer gerade aufzusetzen, weil du sonst Löcher machst?«
    »Es   … es hat sich nicht so geformt, wie ich wollte.«
    »Wenn du den Dingen, die du tust, Achtung entgegenbringst, wenn du den Unterschied zwischen der gebündelten Kraft eines Herzensbildes und diffusen Wunschträumen kennst, dann kannst du versuchen, deine Seele mit der des Erzes zu vereinen, nicht vorher! Geh mir aus dem Weg, du bist untauglich für die Arbeit eines Schmiedes! Verschwinde!«
    Wie ein geprügelter Hund schlich Sigfrid hinaus. Er wollte sowieso kein Schmied werden! Schmieden war etwas für stumpfsinnige Leute! Er setzte sich ins Gras hinter der Hütte und wälzte düstere Gedanken. War es seine Schuld, dass Hammer und Erz sich gegen ihn verschworen hatten? Dass sie nicht taten, was er von ihnen verlangte? Hätte Mime ihm vorher alles richtig beigebracht, statt ihn Holz hacken und Blasebälge treten zu lassen, wäre nichts davon passiert! Im Grunde genommen war der Schmied an allem selbst schuld!
    Übergangslos machte der Zorn einer überwältigenden Traurigkeit Platz. Seine Sippe hatte ihn verlassen, und Mime wollte ihn auch nicht mehr. Er war allein auf der Welt. Ihm war zum Heulen zumute. Sein Hengst begrüßte ihn mit einem Schnauben und beknabberte ihn freundschaftlich. Sigfrid wischte sich verstohlen eine Träne fort, holte die grobe Bürste aus seinem Lederbeutel und begann, das Tier zu striegeln. »Du bist mein einziger Freund«, murmelte er, während er Schmutz und verkrusteten Schweiß aus dem Fell des Hengstes entfernte. Mit einer weicheren Bürste beseitigte er den Staub, bis das schwarze Fell wie eine sternenklare Nacht glänzte. Anschließend bürstete er Schweif und Mähne und entfernte mit einem Hufkratzer Erde und Steine von den Hufen.
    Als er fertig war, hatte er seinen Frieden wiedergefunden. War es nicht müßig, sich wegen einer verpfuschten Arbeit aufzuregen? Warteten nicht größere Dinge auf ihn? Hielt die Welt nicht grenzenlose Versprechen für ihn bereit? Sigfrid atmete tief durch und blickte sehnsüchtig in den Himmel, wo es allmählich zu dunkeln begann.
    Heute Nacht war Vollmond.
4
    Heute Nacht war Vollmond.
    Sigfrid, gerade dreizehn geworden, hatte diesen Tag herbeigesehnt wie keinen zweiten in seinem Leben. Den Tag vor Vollmond. Den Tag, an dem das entscheidende Thing abgehalten werden sollte. Während er sich mit seinem Vater dem Hügel und den in Gruppen herumstehenden Männern näherte, klopfte sein Herz so hart, dass er glaubte, es müsse jeden Moment seine Brust sprengen.
    Wie immer wurde die Versammlung unter freiem Himmel, im Schutze heiliger Bäume abgehalten. Auserwählte Männer gingen den Platz ab und steckten alle paar Schritte Haselstangen in den Boden. Die Hasel war Tiwaz heilig. Andere Männer verbanden die Stangen mit Seilen.
    Die Anwesenden nahmen

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