Der Ruf Der Walkueren
war die Bestie furchterregend anzusehen. Dampf entwich dem Maul des Scheusals, während das Feuer in seinem Rachen erkaltete. Sigfrid berührte den Schuppenpanzer. Er hatte mehr Glück als Verstand gehabt. Er ergriff Mimung, das noch immer im Leib der Echse steckte und Herzblut in sich aufsaugte. Mit einem Ruck zog er das Schwert heraus, obwohl es schreiend protestierte. Es brauchte Sigfrids ganze Kraft, um den Willen der blutdurstigen Klinge zu brechen. Er wischte sie in einem Laubhaufen sauber, entschied sich dann, einen Beweis seiner Tat mitzunehmen, und kehrte zum Körper des Lindwurms zurück. Der Lebensstrom des Drachen versiegte allmählich und bildete einen übel riechenden See aus Blut zu seinen Füßen. Einen Moment stand der Junge unschlüssig vor der Echse, dann entschied er sich für eine Kralle, die er dem Kadaver kurzerhand abschlug und in seinen Lederbeutel warf. Anschließend steckte er Mimung in die Scheide zurück. Das Vibrieren des Schwertes glich nun dem Schnurren einer satten Katze.
Sigfrid sah nach seiner Armwunde. Aber – konnte er seinen Augen trauen? Sie war fast verheilt. Unmöglich! Er berührte das rohe Fleisch, es tat kaum weh. Unter seinen Blicken schloss sich die Verletzung. Ob das Drachenblut, das über seine Arme rann …? Es gab keine andere Erklärung, denn schon war von seiner Wunde nichts mehr zu sehen. Das Blut der Echse musste große Heilkraft besitzen.
Der Wald fing wieder an zu atmen, als wäre er von einer drückenden Last befreit. Bäume knarrten, Blätter raschelten, als die ersten mutigen Nagetiere in ihrem Schutz umherhuschten. Vogelstimmen erklangen, das Murmeln von fließendem Wasser. Sigfrid folgte dem Geräusch und gelangte an einen Bach. Dort legte er die Fetzen seiner Kleider ab und stieg in das eiskalte Wasser, um sich zu säubern. Das Drachenblut an seinen Armen ließ sich nicht abwaschen, im Gegenteil, es begann zu härten und seine Haut mit einer festen, aber biegsamen Schicht zu überziehen. Sigfrid verließ den Bach und holte sein Messer, um das Blut damit wegzukratzen. Die Haut gab nach, zeigte sich aber undurchdringlich wie Stahl. Er schabte stärker, schnitt und stach sich in den Arm und überstand alles ohne den geringsten Kratzer. Es musste am Blut des dracō liegen, das war die einzig mögliche Erklärung! Es ließ seine Haut verhornen und machte sie undurchdringlich! Aber das würde ja bedeuten …
Sigfrid rannte zu dem toten Untier zurück, legte Amulett und Armring ab und stieg bis zu den Knien in den rubinroten Teich, obwohl der Geruch ihm Übelkeit verursachte. Alles in Ordnung? Keine unvorhergesehene Wirkung? Das Blut fühlte sich warm und schleimig an, ansonsten war nichts zu spüren. Höchstens ein Kitzeln, als die dickflüssige Substanz in seine Poren eindrang und sich mit seiner Haut verband. Sigfrid zog einen Fuß heraus. Außer einer dicken Hornschicht konnte er keine Veränderung feststellen, also war es wohl ungefährlich. Er ging in die Mitte der Grube, wo sie am tiefsten war. Das Blut reichte ihm jetzt über die Oberschenkel. Er ignorierte den fauligen Geruch und setzte sich grinsend hinein.
Wind kam auf und wirbelte Herbstlaub vor sich her. Auch der Ahornbaum, unter dem Sigfrid sein ungewohntes Bad nahm, verlor ein paar Blätter mehr. Eines schlug Purzelbäume in der Luft, drehte sich zweimal um sich selbst und landete zwischen den Schulterblättern des Jungen, wo es unbemerkt an seinem schweißnassen Körper festklebte.
Sigfrid seufzte. Jetzt kam der unangenehme Teil. Er holte tief Atem, wobei ihn der abstoßende Gestank beinahe dazu brachte, sich zu übergeben, kniff die Augen zusammen und tauchte unter.
Als er wieder hochkam, war er unverwundbar.
Bis das blutige Ahornblatt, vom eigenen Gewicht gezogen, herabfiel.
2
»Da ist ein Fremder.«
Die Art, wie Hugbald das Wort »Fremder« aussprach, brachte deutlicher als jede Beschreibung zum Ausdruck, was er von dem zerlumpten Jüngling hielt, der darum gebeten hatte, zur Königin geführt zu werden. Brünhild, die gemeinsam mit ihren Gefolgsleuten eine Decke aus Laub und Stallmist zum Schutz vor Frost auf die Felder brachte, blickte auf. Das Erste, was sie bemerkte, war der offene Blick des Jungen. Dann nahm sie seine stolze Haltung und das erstaunliche Schwert an seiner Seite wahr, Hinweise auf seine hohe Abkunft. Als drittes entdeckte sie, dass er nur einen Stiefel anhatte, und musste lachen. Das war der Augenblick, in dem sie viertens sein heißes Blut erkannte, denn
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