Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
schnorcheln.«
»Ich traue mich. Ich tauche so gut wie früher. Sogar noch besser.«
»Wir werden ziemlich viel unter Wasser sein, wenn wir nach der Isabella suchen. Ich würde sagen, du musst dringend trainieren.«
»Ich brauche das Schnorcheln nicht zu trainieren.«
»Dann beweis es mir«, forderte er sie heraus und schwamm voran.
Sie wollte erst nicht darauf eingehen, doch dann verfluchte sie ihn und zog sich wieder an Bord, um Taucherbrille und Schnorchel zu holen. Natürlich ist der Typ ein Idiot, sagte sie sich, als sie sich wieder ins Wasser fallen ließ. Aber er kannte ihre Schwachstellen. Ihre einzige Genugtuung bestand darin, ihm zu zeigen, wie gut sie wirklich war.
Sie rückte ihr Mundstück zurecht und paddelte an der Oberfläche. Bis zu dem Moment, als sie unter Wasser die Fische und den Sand sah, war ihr gar nicht bewusst gewesen, wie lange sie schon nicht mehr zum Vergnügen getaucht war.
Verträumt planschte sie weiter und hatte Matthews Herausforderung schon ganz vergessen, bis er unter ihr durchschwamm und plötzlich Maske an Maske vor ihr auftauchte. Er grinste, dann pustete er einen Wasserstrahl aus dem Schnorchel über der Wasseroberfläche. Er legte den Kopf auf die Seite und zeigte nach unten. Ohne auf sie zu warten, tauchte er.
Für Tate war das Herausforderung genug. Sie atmete tief ein und folgte ihm.
Vor ihr lag die Welt, in der sie sich zu Hause fühlte. In der Strömung schwangen Seegrasbüschel hin und her, vor ihr erstreckten sich klares Wasser, Hügel und Ebenen aus Sand. Und als Matthew die Kräcker aus der Tasche nahm, tauchten wie aus dem Nichts Gruppen hungriger Fische auf.
Sie bewegten sich in Schwärmen um sie herum, knabberten an den Leckerbissen und schlangen sie gierig herunter. Einige waren so neugierig, dass sie in Tates Maske starrten, bevor sie sich dem Kampf um die Kräcker anschlossen. Ihre Lunge schmerzte, als sie endlich wieder nach oben schwamm, das Wasser ausspuckte und tief einatmete.
Fast eine Stunde war vergangen, als sie schließlich ihren Unterwasserausflug beendete. Tate riss ihre Maske herunter, legte sich zufrieden auf den Rücken und ließ sich treiben.
»Vielleicht hast du es doch nicht ganz verlernt«, bemerkte Matthew.
»Nun, immerhin habe ich nicht meine ganze Zeit im Labor verbracht.«
Weil sie die Augen geschlossen hatte, wagte er es, mit den Fingern durch ihr Haar zu fahren, das seidig rot im Wasser schwebte. »Ich habe dich gar nicht gesehen, als wir in San Juan anlegten.«
»Ich war anderweitig beschäftigt.« Aber sie hatte ihn bei seiner Tauchstunde mit LaRue beobachtet.
»Mit deiner Dissertation?«
»Genau.« Sie spürte ein leichtes Ziehen in ihrem Haar und tastete danach. Ihre Finger stießen an seine.
»Sorry. Worüber schreibst du?«
Vorsichtshalber ließ sie sich von der Strömung ein kleines Stück von der Stelle wegtreiben, wo er Wasser trat. »Würde dich sowieso nicht interessieren.«
Einen Moment lang schwieg er und wunderte sich darüber, wie übel ihm ihre Bemerkung aufstieß. »Da hast du vermutlich Recht.«
Sein Ton ließ sie die Augen aufschlagen.
»Ich habe ja kaum die Highschool geschafft, da verstehe ich natürlich nichts von Doktoren und Dissertationen.«
»So habe ich das nicht gemeint.« Peinlich berührt, griff sie nach seinem Arm, bevor er wieder untertauchen konnte. »Wirklich nicht. Ich wollte damit nur sagen, dass du dich bestimmt nicht für langweilige technische Ausführungen interessierst, wo du doch das, worüber ich schreibe, aus eigener Erfahrung kennst. Ehrlich gesagt, will ich die verdammte Sache nur endlich hinter mich bringen.«
»Ich dachte, es macht dir Spaß.«
»Das tut es auch. Ich –« Ärgerlich über sich selbst, ließ Tate sich wieder mit geschlossenen Augen treiben. »Ach, ich weiß nicht, was ich damit sagen wollte. In meiner Dissertation vergleiche ich den ideellen und den finanziellen Wert eines historischen Fundes. Nicht sonderlich originell, aber ich will mich auf ein bestimmtes Stück konzentrieren und seine Geschichte von den Anfängen bis hin zu seiner Entdeckung und Analyse verfolgen. Andererseits könnte ich mich auch wieder auf meine ursprüngliche Idee konzentrieren, nämlich wie der technologische Fortschritt die Meeresarchäologie zum einen weitergebracht und zum anderen unpersönlicher gemacht hat. Oder …«
Sie öffnete ein Auge. »Jetzt verstehst du vielleicht, warum ich so unwirsch reagiert habe, als du mich gefragt hast.«
»Du hast dich also noch
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