Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
nicht entschieden. Na und? Hast du es denn so eilig?«
»Das dachte ich immer.« Wie sollte sie ihm erklären, dass sie das Gefühl hatte, seit Jahren in einer Tretmühle gefangen zu sein, die sie sich zu allem Überfluss auch noch selbst ausgesucht hatte? Und dass sie sehr plötzlich und völlig spontan ausgestiegen war? Von dieser für sie selbst überraschenden Reaktion hatte sie sich immer noch nicht ganz erholt und hatte auch keine genaue Vorstellung davon, wie sie eines Tages wieder einsteigen sollte, wenn irgendwann der richtige Zeitpunkt gekommen war.
»Wenn du versuchst, besonders schlau zu sein, bildet sich auf deiner Stirn immer eine Falte.« Er legte eine Fingerspitze zwischen ihre Brauen.
Sie schob seine Hand beiseite. »Geh weg, Lassiter. Ich aale mich gerade in meiner beruflichen Krise.«
»Sieht ganz danach aus, als ob du vergessen hättest, wie man sich entspannt.« Er legte eine Hand auf ihr Gesicht und drückte sie unter Wasser.
Sie sank, zog ihn aber mit sich. Dann tauchte sie wieder auf und hätte normalerweise tief durchgeatmet, doch sie musste furchtbar kichern. Als er eine Hand um ihr Fußgelenk legte, trat sie mit dem anderen Fuß nach ihm und freute sich, einen Treffer gelandet zu haben, bevor er sie wieder nach unten zog.
Anstatt sich zu wehren, entspannte sie sich diesmal. Doch sobald sich sein Griff lockerte, verpasste sie ihm einen wohlplatzierten Hieb und schwamm dann in Richtung Boot. Sie war sich nicht sicher, ob er schneller oder sie langsamer war als früher, jedenfalls schaffte sie die Strecke nicht in vier Zügen.
Als sie endlich wieder an die Oberfläche kam, war sie erschöpft und außer Atem.
»Du ersäufst mich!«
»Ich rette dich«, berichtigte er sie. Tatsächlich hielt er sie über Wasser. Ihre Beine hatten sich ineinander verschlungen, und er machte mit einem Arm Schwimmbewegungen, während er den anderen um sie gelegt hatte.
»Irgendwie bin ich nicht mehr in Form.« Tate schnappte nach Luft und strich sich mit einer Hand das nasse Haar aus dem Gesicht.
»Nicht, soweit ich es beurteilen kann.«
Es dauerte einen Moment, bis das Lachen aus ihrem Gesicht verschwunden war, einen Moment, bevor ihr klar wurde, dass sie sich an ihn klammerte, dass sein muskulöser Körper sich beinahe nackt an sie presste. Einen Moment, bis
sie die Lust in seinen Augen gedeutet und die Reaktion ihres eigenen Körpers gespürt hatte.
»Lass mich los, Matthew.«
Jetzt spürte er ihr Zittern. Sie war blass geworden, aber er wusste, dass sie sich nicht fürchtete. So hatte sie früher ausgesehen, wenn sie ihn begehrt hatte.
»Dein Herz pocht so laut, Tate, dass ich es fast hören kann.«
»Ich habe gesagt –«
Er beugte sich vor, nahm ihre Unterlippe zwischen seine Zähne und sah, wie ihre Augen sich verdunkelten. »Nur zu«, forderte er sie heraus. »Sag es noch mal.«
Er ließ ihr keine Gelegenheit. Sein Mund presste sich auf ihre Lippen, dann knabberte er daran, schob sie auseinander und tauchte mit seinem Kuss in Tiefe, Dunkelheit und Gefahr ein.
Bei Gott, er würde sich sein Vergnügen holen. Zumindest nahm er es sich vor, obwohl er selbst dabei litt. Sie war noch genauso wie in seiner Erinnerung, das Mädchen, das er hatte vergessen wollen. All das und mehr. Selbst als sie sanken und dann ineinander verschlungen wieder auftauchten, wusste er, dass ihn nicht die See ertränken würde, sondern seine verzweifelte, unendliche Sehnsucht nach ihr.
Ihr Geschmack, ihr Geruch, dieses Gefühl, das Geräusch ihres Atems, in dem Verwirrung und Freude mitklangen. Die Erinnerung an die Vergangenheit und die Realität der Gegenwart verschmolzen, bis er fast vergessen hatte, wie viel Zeit inzwischen verstrichen war.
Auch Tate hatte nicht geahnt, dass sie immer noch so empfinden konnte, so hungrig und hemmungslos. Doch sie wollte nicht nachdenken, nicht, wenn ihr Körper so intensive Gefühle empfand und jeder Nerv zu vibrieren schien.
Aber das war rein körperlich. Sie klammerte sich an diesen Gedanken, während sie sich an Matthew festhielt. Der fordernde, harte Mund eines Mannes, seine feuchte, glatte
Haut, der harte, bereite Körper, der sich an sie presste … Nein, sie wollte nicht nachdenken. Aber sie musste es.
»Nein!«
Atemlos stieß sie die Silbe hervor, bevor sein Mund sich erneut auf ihren legte und ihren Verstand noch einmal gründlich durcheinander brachte. Sie fühlte, wie ihr Wille schwand, und kämpfte gegen Matthew und sich selbst an.
»Ich habe Nein
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