Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
stark zu sein.
Ja, es war besser, viel besser, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. VanDyke nippte an seinem Glas und schlenderte durch sein Büro an Bord der Triumphant .
Vielleicht, das gab er zu, hatte er tatsächlich ein wenig zu impulsiv gehandelt, als er James Lassiter tötete. Aber damals war er noch jung gewesen, unreif. Und er hatte den Bastard wirklich gehasst.
Doch die Erkenntnis, dass James ihn sogar im Tod überlistet hatte … Wieder schäumte Wut in ihm auf, so heftig, dass VanDyke seine Augen schließen und kontrolliert atmen musste, um den Cognacschwenker aus Baccaratkristall nicht an die Wand zu schleudern.
Nein, die Lassiters sollten ihn keinen Cent mehr kosten, gelobte er sich. Nicht einmal den Preis eines Cognacglases. Als er sich wieder beruhigt hatte, ging er an Deck, um die sanfte Nachtluft einzuatmen.
Die Yacht bewegte sich schnell durch den Pazifik. Costa Rica lag im Osten.
Fast wäre er in seinem Jet zu den Westindischen Inseln gereist, aber dann hatte er seine Ungeduld bezähmt. Die Zeit, die der Seeweg in Anspruch nehmen würde, konnte er nutzen. Seine Pläne nahmen bereits Gestalt an, und da er einen Mann in Lassiters Team geschmuggelt hatte, war es fast so, als ob er selbst dabei wäre.
Natürlich war LaRue mit seinen ständigen Forderungen nach neuen Bonuszahlungen lästig. VanDyke lächelte und schwenkte seinen Cognac. Auch um ihn würde er sich kümmern müssen, wenn er seinen Zweck erfüllt hatte.
Die ultimative Auflösung eines Arbeitsverhältnisses, dachte er und lachte. Ein kleines, aber nichtsdestotrotz erfreuliches Vergnügen.
Der Mann hatte keinerlei Bindungen, keine Familie, genau wie VanDyke es bei seinen Handlangern bevorzugte. Niemand würde einen frankokanadischen Schiffskoch mittleren Alters vermissen.
Aber diese Ablenkung musste warten. Sein größter Genuss bestand in der Beseitigung der Lassiters und ihrer Partner. Zunächst würde er sie ausnutzen, sie graben, tauchen und für sich arbeiten lassen. Die Anstrengung würde ihnen ein befriedigendes Gefühl bereiten. Das Bewusstsein, ihn überlistet zu haben, würde ihnen gefallen.
Oh, er konnte sich ihr Gelächter vorstellen, ihre angeregten Diskussionen über ihre vermeintliche Gerissenheit. Sie würden sich gegenseitig auf die Schultern klopfen, weil sie die Geduld aufgebracht hatten, so lange zu warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen war.
In der Hoffnung, dass sein Verfolger das Interesse verlieren würde, hatte Matthew acht Jahre lang in eiskalten Gewässern getaucht und jene Art von Bergungsarbeiten übernommen, die Schatzjäger im Allgemeinen verachteten. VanDyke musste zugeben, dass er Matthews Bemühungen und seine Weitsicht bewunderte.
Aber der Preis würde niemand anderem als Silas VanDyke gehören. Das Amulett war sein Erbe, sein Eigentum, sein Triumph. Es in den Händen zu halten, würde jeden anderen Besitz, den er bisher sein Eigen genannt hatte, in den Schatten stellen.
Wenn sie es erst einmal gefunden hatten, den vermeintlichen Preis mit zitternden Fingern umklammert hielten, voller Freude über ihren scheinbaren Erfolg, würde es noch viel befriedigender sein, sie zu zerstören.
Lachend trank VanDyke seinen Cognac aus. Mit einer heftigen Bewegung zerschmetterte er dann das zerbrechliche
Kristall an der Reling und ließ die Scherben ins Wasser fallen. Nicht etwa, weil er wütend oder gewalttätig war.
Ganz einfach, weil er es sich erlauben konnte.
Der Sturm tobte heftig, brach mit Regenwänden und heulendem Wind über sie herein. Drei Meter hohe Wellen warfen die Boote hin und her und machten das Tauchen unmöglich. Nach langer Diskussion beschloss das Beaumont-Lassiter-Team, das schlechte Wetter auszusitzen. Sobald sie sich an die Bewegungen des Bootes gewöhnt hatte, machte Tate es sich mit einer Kanne heißem Tee an ihrem Computer gemütlich.
An diesem Abend würde kein Rendezvous stattfinden. Es überraschte sie, wie sehr sie dieser Umstand enttäuschte. Vielleicht war der Sturm am Ende ein versteckter Glücksfall. Ohne es selbst zu bemerken, hatte sie sich offenbar zu sehr daran gewöhnt, Matthew Lassiter an ihrer Seite zu haben.
Und aus Erfahrung wusste sie, dass es nicht ratsam war, sich zu stark an etwas zu gewöhnen, das mit Matthew zu tun hatte.
Sie hatte lange darüber nachgedacht und war zu dem Schluss gelangt, dass es durchaus in Ordnung und nicht sehr gefährlich war, ihn zu mögen. Sympathie und gegenseitige Anziehung mussten nicht unbedingt eine
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