Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
ihr Ziel zu kommen, werden Sie wohl auch nicht vor Diebstahl zurückschrecken.«
»Ich sehe, dass Matthew Ihren Kopf mit Unsinn gefüllt hat«, erwiderte VanDyke freundlich. »Es ist verständlich, dass der Junge jemandem die Schuld am Tod seines Vaters
geben musste, zumal möglicherweise seine eigene Nachlässigkeit dafür verantwortlich war.«
»Matthew ist nicht nachlässig«, gab Tate zurück.
»Er war noch jung, man darf ihm keinen Vorwurf machen. Damals hatte ich ihm und seinem Onkel finanzielle Unterstützung angeboten, aber leider war mit den beiden nicht zu reden.«
Bedächtig lockerte er seine Schultern. »Und wie bereits gesagt, Miss Beaumont, Wracktauchen ist eine gefährliche Angelegenheit. Unfälle passieren immer wieder. Eins möchte ich aber von Anfang an klarstellen: Falls sich das Amulett auf der Marguerite befindet, gehört es mir. Wie alles andere an Bord.« Das Leuchten in seinen Augen war jetzt noch intensiver, geradezu unheimlich. »Und ich nehme und behalte immer, was mir gehört. Nicht wahr, ma belle?«
Yvette strich mit einer Hand über ihren gebräunten Schenkel. »Allerdings.«
»Sie haben es also noch nicht gefunden?« Tate ging zur Reling. »Wir werden sehen, wem die Rechte an der Santa Marguerite gehören.«
»Da bin ich mir sicher.« VanDyke drehte das leere Glas in seiner Hand. »Oh, und Miss Beaumont, grüßen Sie bitte die Lassiters von mir und sprechen Sie ihnen mein Mitgefühl aus.«
Als Tate ins Wasser sprang, hörte sie ihn lachen.
»Silas.« Yvette zündete sich eine weitere Zigarette an und räkelte sich auf ihrer Liege. »Wovon hat diese lästige Amerikanerin geredet?«
»Du fandest sie lästig?« Zufrieden lächelnd, beobachtete Silas, wie Tate mit kräftigen Zügen zurück zur Adventure schwamm. »Ich finde sie faszinierend – jung, auf törichte Art mutig und reizend naiv. In meinen Kreisen begegnen mir diese Qualitäten selten.«
»Aha.« Yvette blies den Rauch aus und schmollte. »Du findest sie also attraktiv – mit diesem mageren Körper und ihrer Jungenfrisur.«
Weil er milde gestimmt war, ließ VanDyke sich auf der Kante von Yvettes Liege nieder und beruhigte sie. »Sie ist kaum mehr als ein Kind. Ich interessiere mich für Frauen.« Er küsste ihren Schmollmund. »Du faszinierst mich«, murmelte er und griff hinter ihren Rücken, um den Verschluss ihres knappen Oberteils zu öffnen. »Deshalb bist du schließlich hier, ma chère amie.«
Und so wird es bleiben, dachte er, während er eine ihrer perfekten Brüste umfasste. Bis sie ihn zu langweilen begann.
Nachdem er Yvette besänftigt hatte, stand VanDyke auf. Lächelnd beobachtete er, wie Tate die Adventure in Richtung Saint Kitts steuerte.
Jugend hat eindeutig gewisse Vorteile, dachte er, die selbst ich mit meinem Geld und meinen Fähigkeiten als Geschäftsmann nicht kaufen kann. Er hatte das Gefühl, dass es lange, lange Zeit dauern würde, bevor ihn eine so junge und erfrischende Frau wie Tate Beaumont langweilen würde.
Summend ging er nach vorn. Dort hatten seine Taucher bereits die neuen Funde auf einer Plane ausgebreitet. Sein Herz schlug schneller. Was dort vor ihm lag, ob mit Kalk überzogen, verrostet oder glänzend, gehörte ihm. Erfolg. Profit für eine Investition. Und was das Ganze noch spannender machte, war die Tatsache, dass es ursprünglich den Lassiters gehört hatte.
Niemand sprach, als VanDyke niederkniete und die Stücke mit seinen manikürten Fingern untersuchte. Es bereitete ihm Genugtuung, einen Schatz aus dem Meer zu bergen, während James Lassiters Bruder um sein Leben kämpfte.
Letztendlich machte dieser Umstand die Legende umso faszinierender, fand er, während er eine Münze in die Hand nahm und wendete. Der Fluch der Angelique würde ihnen zum Verhängnis werden, wie er bisher allen zum Verhängnis geworden war, die nach dem Amulett gesucht hatten. Nur ihm nicht.
Weil er dazu bereit gewesen war, geduldig zu warten und
von seinen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Immer wieder hatte ihm sein Geschäftssinn dazu geraten, das Projekt aufzugeben, denn immerhin waren seine Einbußen bereits erheblich. Dennoch konnte er das Amulett nicht vergessen.
Wenn er es nicht finden, es nicht besitzen könnte, hätte er das Gefühl, versagt zu haben, und Versagen konnte er nicht akzeptieren, auch nicht bei einem Hobby. Dabei ging es ihm nicht um Zeit oder Geld, denn davon hatte er mehr als genug. Außerdem hatte er auch nicht vergessen, dass James Lassiter sich über ihn lustig
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