Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
rüberschwingen? Denk doch einen Augenblick lang nach.« Er hoffte, dass sein ironischer Tonfall die gewünschte Wirkung zeigen würde, und verließ die Brücke. Auf Deck warf er seiner Frau und seiner Tochter einen bedeutsamen Blick zu, bevor er zur Reling ging.
»Ahoi, Triumphant!«, rief er.
»Es war auch eine Frau an Bord«, berichtete Tate. Die Härchen auf ihren Armen und im Nacken stellten sich auf, als Matthew neben sie trat. »Eine Crew – Matrosen und Stewards und Taucher.«
Die Triumphant lag wie ein Geisterschiff vor ihnen, alles war still bis auf das Flattern der Sonnensegel und das Wasser, das gegen den Rumpf schlug.
»Ich schwimme rüber«, wiederholte Matthew. Gerade als er Anstalten machte, ins Wasser zu springen, kam VanDyke lässig an Deck geschlendert.
»Guten Tag.« Seine wohlmodulierte Stimme schallte über das Meer. »Schönes Wetter zum Segeln, nicht wahr?«
»Silas VanDyke.«
VanDyke lehnte sich an die Reling und kreuzte die Beine. »In der Tat. Und was kann ich für Sie tun?«
»Ich bin Raymond Beaumont.«
»Ah, natürlich.« Mit einer eleganten Geste tippte VanDyke
an den Rand seines Panamahutes. »Ihre charmante Tochter habe ich bereits kennen gelernt. Wie schön, Sie wiederzusehen, Tate. Und Sie müssen Mrs. Beaumont sein.« Er deutete eine Verbeugung in Marlas Richtung an. »Jetzt weiß ich, wem Tate ihre Schönheit verdankt. Und Matthew Lassiter. Wie interessant, Sie hier zu treffen.«
»Ich weiß zwar, dass Sie ein Mörder sind, VanDyke!«, rief Matthew. »Aber dass Sie sich auch für Piraterie nicht zu schade sind, hätte ich nicht gedacht.«
»Sie haben sich kein bisschen verändert.« VanDykes Zähne blitzten. »Wie beruhigend, ich hätte es bedauert, wenn Ihre rauen Kanten abgeschliffen worden wären. Ich würde Sie gern an Bord einladen, aber zurzeit sind wir leider sehr beschäftigt. Vielleicht können wir uns im Laufe der Woche zu einer Dinnerparty verabreden.«
Bevor Matthew ein Wort herausbringen konnte, hatte Ray eine Hand auf seinen Arm gelegt und drückte fest zu. »Wir haben unseren Anspruch auf die Santa Marguerite eintragen lassen. Wir haben sie entdeckt, und wir arbeiten bereits seit ein paar Wochen an dem Wrack. Wir haben die nötigen Formulare bei der Regierung von Saint Kitts eingereicht.«
»Tut mir leid, da bin ich anderer Ansicht.« Lässig nahm Silas ein schmales Silberetui aus seiner Tasche und wählte eine Zigarette. »Sie können sich gern bei den Behörden erkundigen, wenn Sie mir nicht glauben. Zudem befinden wir uns außerhalb ihres Hoheitsgebiets. Als ich ankam, war niemand hier. Nur dieses unglückselige, verlassene Boot.«
»Mein Partner wurde vor ein paar Tagen schwer verletzt. Wir mussten die Arbeit unterbrechen.«
»Ah.« VanDyke zündete seine Zigarette an und zog genüsslich daran. »Ich habe von dem Unfall des armen Buck gehört. Wie tragisch für ihn, für Sie alle. Sie haben mein Mitgefühl. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass ich hier bin und Sie nicht.«
»Sie haben Gegenstände von unseren Booten gestohlen!«, rief Tate.
»Das ist eine lächerliche Anschuldigung, die Sie kaum beweisen können. Natürlich dürfen Sie es jederzeit versuchen.« VanDyke hielt inne und beobachtete ein paar Pelikane, die zwischen Himmel und Meer auf und ab tanzten. »Wracktauchen kann ein frustrierendes Hobby sein, nicht wahr?«, bemerkte er beiläufig. »Und häufig nervenaufreibend. Grüßen Sie Ihren Onkel von mir, Matthew. Ich hoffe, dass die Pechsträhne Ihrer Familie mit Ihnen endet.«
»Verflucht!« Bevor Matthew über die Reling springen konnte, lief Tate nach vorn, um ihn aufzuhalten. Kaum hatte er sie abgeschüttelt, zog Ray ihn auch schon beiseite.
»Oberdeck«, murmelte er. »Vorn und hinten.«
Zwei Männer traten ins Blickfeld, jeder mit einem Gewehr im Anschlag.
»Ich halte sehr viel davon, meinen Besitz zu verteidigen«, erklärte VanDyke gerade. »Ein Mann in meiner Position lernt schnell, dass Sicherheit kein Luxus ist, sondern lebensnotwendig. Raymond, ich bin davon überzeugt, dass Sie ein vernünftiger Mann sind, vernünftig genug, um unseren hitzköpfigen Matthew davon abzuhalten, sich wegen der paar Klunker in ernsthafte Schwierigkeiten zu bringen.« Zufrieden mit dem Ausgang der Situation, zog er noch einmal an seiner Zigarette. Die Pelikane tauchten vergnügt zwischen ihnen in die See. »Und ich wäre untröstlich, wenn Sie oder eine der Damen von einer verirrten Kugel verletzt würden.« Er lächelte
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