Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
ausgemalt, wieder aufs College zu gehen, ihre Professoren zu beeindrucken und dann ihren Abschluss mit Bravour hinzulegen.
Oder einfach mit Matthew davonzusegeln, auf der Welle ihres Triumphes zum nächsten Erfolg.
Doch jetzt verspürte sie nur ein bitteres Gefühl des Versagens.
Sie war zu unruhig, um in ihrem Zimmer zu bleiben, deshalb ging sie nach draußen. Sie wollte am Strand spazieren gehen, versuchen, einen klaren Kopf zu bekommen und die Zukunft neu zu planen.
Dort entdeckte sie Matthew, der einsam dastand und auf die See starrte, ziemlich genau an der Stelle, an der sie vor kurzem angelegt hatten. An der sie ihn angesehen und bemerkt hatte, wie er sie anstarrte. An der sie erkannt hatte, dass sie ihn liebte.
Ihr Herz zog sich vor Mitleid zusammen, doch dann beruhigten sich ihre Gefühle, denn plötzlich war ihr klar geworden, was sie zu tun hatte.
Sie stellte sich neben ihn und schüttelte ihr Haar in der Brise. »Es tut mir leid, Matthew.«
»Das ist nichts Neues. Pech steht für mich auf der Tagesordnung.«
»Diesmal waren Betrug und Diebstahl im Spiel, mit Pech hat das nichts zu tun.«
»Es hat immer mit Pech zu tun. Mit etwas mehr Glück hätte ich VanDyke allein erwischt.«
»Und was hättest du dann getan? Sein Boot gerammt, wärst an Bord gegangen und hättest es ganz allein mit seiner bewaffneten Crew aufgenommen?«
Es war ihm gleichgültig, wie töricht sein Plan aus ihrem Mund klang. »Mir wäre schon etwas eingefallen.«
»Vermutlich hätte er dich erschossen«, hielt sie ihm vor. »Das hätte uns natürlich alle ein ganzes Stück weitergebracht. Buck braucht dich, Matthew. Ich brauche dich.« Er zuckte mit den Schultern. Ein schwaches Argument, dachte er. Der Gedanke, gebraucht zu werden, schmeckte ihm ganz und gar nicht. »Ich gehe jetzt Buck besuchen.«
»Lass uns zusammen gehen. Es gibt genug andere Wracks, Matthew, die nur auf uns warten. Wenn es ihm wieder besser geht, werden wir sie finden«, versuchte sie ihm Hoffnung zu machen. »Wenn er will, kann er später sogar wieder tauchen. Ich habe mit Doktor Farrge gesprochen. Heutzutage gibt es geniale Prothesen. Wir können ihn nächste Woche nach Chicago bringen, dort stellt ihn der Spezialist in kürzester Zeit wieder auf die Beine.«
»Verstehe.« Zunächst einmal musste er sich überlegen, wie er die Reise nach Chicago, den Spezialisten und die Behandlung bezahlen wollte!
»Sobald der Arzt es genehmigt, fahren wir irgendwohin, wo es schön ist und wo er sich erholen kann. Danach bleibt uns noch genügend Zeit, uns nach einem anderen Wrack umzusehen. Von mir aus nach der Isabella, wenn es das ist, was er sich wünscht. Und was du dir wünschst.«
»Wenn du erst wieder auf dem College bist, wirst du wohl kaum genügend Zeit haben, nach einem Wrack zu suchen.«
»Ich gehe nicht aufs College zurück.«
»Was zum Teufel willst du damit sagen?«
»Ich gehe nicht zurück.« Zufrieden mit ihrer spontanen Entscheidung, legte sie ihm ihre Arme um den Hals. »Ich weiß auch nicht, warum mir das früher so wichtig war. Ich kann schließlich alles, was ich wissen muss, direkt vor Ort lernen. Was bedeutet schon ein Hochschulabschluss?«
»Das ist dummes Gerede, Tate.« Matthew löste sich aus ihren Armen, aber sie schmiegte sich weiter an ihn.
»Nein, ist es nicht. Es ist absolut logisch. Ich bleibe bei dir und Buck in Chicago, bis wir uns entschieden haben, wohin wir danach gehen. Und dann fahren wir los.« Sie küsste ihn auf den Mund. »Egal wohin. Solange wir nur zusammen sind. Kannst du es dir denn nicht vorstellen, Matthew? Wir segeln, wohin wir wollen, wann immer wir wollen, und zwar auf der Sea Devil.«
»Nun …« Die Tatsache, dass er es sich tatsächlich vorstellen konnte, verursachte ihm weiche Knie.
»Mom und Dad stoßen dazu, sobald wir ein anderes Wrack ausfindig gemacht haben. Und wir werden eins finden, das noch ergiebiger ist als die Marguerite . VanDyke kann uns nur besiegen, wenn wir es zulassen.«
»Er hat uns längst besiegt.«
»Nein.« Mit geschlossenen Augen legte Tate ihre Wange an Matthews. »Weil wir hier sind, und wir sind zusammen. Alles liegt noch vor uns. Er will das Amulett, aber er hat es noch nicht gefunden. Und ich bin mir ganz sicher, dass er es nie finden wird. Aber ganz egal, ob wir es finden oder nicht, wir haben auch so schon mehr, als er sich je kaufen kann.«
»Du träumst.«
»Und wenn schon.« Sie lehnte sich zurück und lächelte ihn an. »Ist es nicht genau das, worum es bei der
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