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Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Schlimmeres, als auf einem großen, hässlichen Boot arbeiten zu müssen, das sich auf die Bergung von Metall spezialisiert hatte. Niemand erwartete, auf der Reliant Gold oder andere Schätze zu entdecken. Das Schiff aus dem Zweiten Weltkrieg lag unter dem eisigen Schlamm des Nordatlantik begraben, und sein Wert wurde an dem Preis gemessen, den Fricke für das Altmetall erzielte.
    Wenn seine Finger sich wieder einmal wie Eiszapfen anfühlten und die Haut um seinen Mund vor Kälte blau
anlief, träumte Matthew von den Tagen, da er sowohl zum Vergnügen als auch um des Profits willen getaucht war.
    In warmem, spiegelglattem Wasser, inmitten von bunten Fischen. Er erinnerte sich daran, was für ein Gefühl es gewesen war, plötzlich Gold oder eine schwarz angelaufene Silberscheibe zu entdecken.
    Aber die Schatzsuche war ein Glücksspiel, und er musste seine Schulden abstottern. Ärzte, Anwälte, Physiotherapie. Je mehr er arbeitete, desto größer schienen seine Schulden. Wenn ihm jemand vor zehn Jahren gesagt hätte, dass sich sein Leben einmal zu einem Kreislauf aus Arbeit und offenen Rechnungen entwickeln würde, hätte er ihm ins Gesicht gelacht.
    Inzwischen hatte er feststellen müssen, dass das Leben ihm ins Gesicht lachte.
    Es war Zeit, den langsamen Aufstieg zur Oberfläche anzutreten. Die verfluchte, hässliche Reliant lag auf der Seite, längst zur Hälfte von der Crew auseinander genommen. Als Matthew am ersten Haltepunkt Pause machte, betrachtete er den plumpen Schiffsrumpf.
    Sich vorzustellen, dass er früher von Galeonen und bis an den Rand mit Goldbarren gefüllten Kaperschiffen geträumt hatte! Und was noch schlimmer war, er hatte ein solches Schiff gefunden und wieder verloren. Und mit ihm alles andere.
    Jetzt fühlte er sich wie ein Wachhund auf einem Schrottplatz, weil er Altmetall sammelte und bewachte. Der Nordatlantik war wie eine Höhle, dunkel, feindlich, fast farblos, kalt wie Fischblut. Hier fühlte man sich nie ganz als Mensch – nicht frei und schwerelos wie ein Taucher in lebendigeren Gewässern, sondern distanziert und fremd, und alles in seiner Sichtweite fraß oder wurde gefressen.
    Eine unbedachte Bewegung ließ eisiges Wasser in seinen Anzug eindringen und erinnerte ihn daran, dass er trotz allem ein Mensch war.
    Langsam bewegte er sich auf den nächsten Punkt zu. Wie kalt das Wasser auch sein mochte und wie langweilig der Tauchgang, hier unten regierten die Gesetze der Biologie und der Physik. Vor fünf Jahren hatte er zusehen müssen, wie ein unvorsichtiger Taucher auf Deck zusammenbrach und qualvoll unter Krämpfen starb, weil er an den Haltpunkten nicht lange genug abgewartet hatte – eine schmerzhafte Erfahrung, die Matthew sich auf jeden Fall ersparen wollte.
    Als er wieder an Bord war, griff er dankbar nach dem Becher mit heißem Kaffee, den ihm einer der Küchenmaate anbot. Sobald seine Zähne nicht mehr klapperten, gab er dem nächsten Team Anweisungen. Und er nahm sich fest vor, Fricke zu sagen, dass die Männer sich auf dieser Fahrt einen Bonus verdient hatten.
    Es freute ihn, dass Fricke, der Geizhals, genug Respekt vor ihm hatte, um ein wenig tiefer in seine engen Taschen zu greifen.
    »Die Post ist da.« Der Küchenmaat, ein dürrer Frankokanadier, der von allen LaRue genannt wurde, nahm Matthew die Sauerstoffflaschen ab. »Hab sie dir in die Kabine gelegt.« Er grinste und zeigte dabei einen glänzenden Goldzahn. »Ein Brief, der Rest wahrscheinlich Rechnungen. Ich bekomme Briefe von sechzehn Frauen. Du tust mir leid, vielleicht gebe ich dir eine ab. Marcella, nicht sonderlich hübsch, aber im Bett sensationell.«
    Matthew zog die Kapuze seines Anzugs herunter. Die kalte Atlantikluft wehte ihm um die Ohren. »Ich suche mir meine Frauen immer noch selbst aus.«
    »Dann tu’s doch. Dich müsste mal eine ordentlich rannehmen, Matthew. LaRue kennt sich aus.«
    Matthew starrte nachdenklich auf das kalte, graue Meer. »Hier draußen sind Frauen eher selten.«
    »Komm mit mir nach Quebec, Matthew. Ich zeige dir, wo man gut trinken und vögeln kann.«
    »Denkst du eigentlich immer an Sex, LaRue? Wie es aussieht, müssen wir noch mindestens einen Monat hier bleiben.«
    »Solange ich an Sex denken kann, werde ich das auch tun!«, rief LaRue. Matthew suchte bereits das Weite. Kichernd nahm LaRue seinen geliebten Tabakbeutel aus der Tasche und rollte eine seiner dicken, stinkenden Zigaretten. Der Junge benötigte dringend ein wenig Anleitung, die Weisheit eines älteren Mannes

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