Der Ruf der Wellen: Roman (German Edition)
Außerdem bezweifle ich, dass er sich überhaupt an Tate erinnert. Dennoch fühle ich mich nicht wohl bei dem Gedanken, dass Tate so weit weg ist und auch nur im Entferntesten mit diesem Mann zu tun hat. Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich Tate über das Ergebnis meiner Recherchen in Kenntnis setzen oder die Angelegenheit auf sich beruhen lassen soll. Bitte lass mich wissen, was Du davon hältst.
Matthew, ich würde gern persönlich mit Dir über die Sache sprechen, sobald Du nach Hatteras kommen kannst.
Denn es gibt noch mehr, das ich mit Dir bereden möchte – etwas, wonach ich seit fast acht Jahren suche und das ich Dir gern zeigen würde. Wenn es so weit ist, hoffe ich, dass Du meine Begeisterung teilen wirst. Matthew, ich will die Isabella . Und dazu brauche ich Dich und Buck. Bitte komm nach Hatteras und sieh Dir an, was ich zusammengetragen habe, bevor Du mein Angebot ablehnst.
Sie gehört uns, Matthew, sie hat uns schon immer gehört. Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Ansprüche geltend machen.
Mit den besten Grüßen
Ray
Du lieber Himmel. Matthew las die Seite noch einmal. Ray Beaumont hielt offenbar nichts davon, um den heißen Brei herumzureden. In ein paar kurzen Absätzen hatte er harte Geschütze aufgefahren, die ihn von Tate über VanDyke bis hin zur Isabella katapultierten.
Zurückkehren? Plötzlich warf Matthew den Brief wütend auf den Tisch. Er wollte verdammt sein, wenn er zurückkehren und sich noch einmal mit seiner größten Niederlage auseinander setzen wollte! Für ihn hatte ein neues Leben angefangen – mehr oder weniger. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, waren Geister aus seiner Vergangenheit, die ihn wieder mit dem Glanz des Goldes lockten.
Ich bin kein Jäger mehr, dachte er und sprang von dem Stuhl hoch, um in der kleinen Kabine auf und ab zu tigern. Das wollte und brauchte er nicht. Manche Menschen konnten ausschließlich von Träumen leben. So wie er früher – aber diese Zeiten waren vorbei.
Ich brauche Geld, dachte er wütend, Geld und Zeit. Erst wenn er beides in der Tasche hatte, konnte er beenden, was vor vielen Jahren mit dem Leichnam seines Vaters begonnen hatte. Er würde VanDyke finden, und er würde ihn töten.
Was Tate anging, so war sie nicht sein Problem. Er hatte ihr vor Jahren einen Gefallen getan, erinnerte sich Matthew
und blickte grimmig zu dem Brief auf dem Tisch. Den größten Gefallen ihres Lebens. Wenn sie es vermasselte, indem sie sich auf eins von VanDykes Projekten einließ, war das ihre Sache. Schließlich war sie eine erwachsene Frau. Mit einer erstklassigen Ausbildung und tollen Titeln. Verdammt, all das verdankte sie ihm, aber niemand konnte behaupten, dass er für sie verantwortlich war. Doch dann sah er sie wieder so, wie sie damals gewesen war, wie sie beeindruckt eine Silbermünze hochhielt, glücklich in seinen Armen lag, mutig mit ihrem Tauchermesser den Hai angriff.
Wieder fluchte er wütend, dann noch einmal ruhiger. Er ließ Brief und Becher, wo sie waren, und ging in den Funkraum. Zunächst einmal musste er dringend ein paar Anrufe erledigen.
Tate betrat den Raum, den die Crew »Level 0« getauft hatte. Er war voll gestopft mit Computern, den dazugehörigen Tastaturen und Monitoren. Die Sonaranzeige leuchtete grün, die Nadel schlug gelegentlich aus. Fernbedienungen für die Kameras, die Aufnahmen vom Meeresboden machten, lagen herum.
Zurzeit wirkte der Bereich allerdings mehr wie ein Erholungsraum für Halbstarke als wie ein wissenschaftliches Labor.
Dart hockte mit Bowers in einer Ecke und vertrieb sich die Langeweile, indem er den Computer bei einer Runde Mortal Combat schlug.
Es war spät, fast Mitternacht, und Tate hätte eigentlich längst in ihrer Kabine sein, schlafen oder an ihrer Doktorarbeit arbeiten sollen. Aber sie fühlte sich ruhelos, und Lorraine war gereizt gewesen. Die Kabine schien zu klein für sie beide.
Sie nahm eine Hand voll von Darts Bonbons und ließ sich nieder, um auf dem Monitor den Meeresgrund zu betrachten.
Es ist so dunkel, dachte sie. Und kalt. Winzige leuchtende Fische jagten nach Nahrung. Sie bewegten sich langsam, umgeben von phosphoreszierenden Punkten, die an Sterne erinnerten. Die weichen, gleichmäßigen Formen des Bodens schienen ohne Konturen. Dennoch gab es hier Leben. Ein Seewurm, kaum mehr als ein primitiver Magen, glitt an der Kamera vorbei. Das scheinbar riesige Auge eines Nautilus brachte Tate zum Lachen.
Auf ihre ganz besondere Art ist diese Welt ein
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