Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
zu geben.
»Ein Organismus, wissenschaftlich ausgedrückt«, erwiderte sie, während sie seinen Kopf auf den rauen Baumwollstoff eines Kissens ohne Bezug bettete. »Wenn unser Blut damit infiziert ist, werden wir mit dem Gefährten eins. Symbiotisch, wenn du so willst. Genau genommen wirst du nie wieder allein sein.« Sie stellte den Becher ab. »Ich will dir davon erzählen. Du weißt bisher nur von dem Blut. Das ist der härteste Teil für jene, die nicht mit dem Gefährten geboren wurden. Wirst du zuhören, während ich dich füttere?«
Seine Augen wurden groß.
»Mit Suppe, du Dummkopf! Einfach nur Suppe. Der Körper verlangt noch immer nach Essen und Wasser.«
Er schämte sich ein wenig. »Erzähl mir davon.«
Beatrix zog den Kessel näher zu sich heran und griff nach einem verbeulten Löffel. »Der Gefährte teilt sich mit uns unser Blut. Ich wurde mit ihm geboren. Meine Mutter war ein Vampir. Aber Kinder sind selten. Ich bin vielleicht das letztgeborene. In einer Stadt lebt immer nur einer von uns, damit wir keine Aufmerksamkeit erregen. Das gilt nicht für das Kloster Mirso, dort gibt es viele von uns.« Beatrix hob den Kopf und flößte John einen Löffel Suppe ein. Es schwamm nur ein wenig Gemüse und vielleicht etwas Rindfleisch darin. Woher hatte sie die Zutaten? Hatte sie die Suppe über dem Feuer gekocht? »Mirso ist der letzte Zufluchtsort für unsere Art. Das Kloster liegt in den Karpaten, jenseits des Eisernen Tores, des Durchbruchstals der Donau bei Tirgu Korva. Du könntest es eines Tages brauchen.« Ihre Augen bohrten sich in seine.
Warum sagte sie ihm dass als Allererstes? John schluckte die Suppe herunter. »Was ist mit dem Blut? Wie kann ich es vermeiden, menschliches Blut trinken zu müssen?« Das war es, was er wissen musste.
»Das kannst du nicht. Und wenn du dem widerstehst, bringt dich das Verlangen danach, das über dich kommen wird, dazu, zu viel zu trinken. Es ist verboten, deine Spender leer zu trinken. Du musst es mindestens alle zwei Wochen tun, aber ich rate dir, es zu nehmen, noch bevor du die ersten Anzeichen von Hunger spürst, immer nur ein wenig von jedem Spender.«
»Welche Anzeichen?«
»Ein Prickeln in deinen Venen, eine Art Verlangen. Du wirst es wissen.«
Er horchte in sich hinein. Er kannte es bereits. Ein prickelndes, stechendes Gefühl. Panik überfiel ihn.
»Du fühlst es jetzt«, sagte sie, als läse sie seine Gedanken. »Für eine Weile wirst du es häufiger brauchen.«
Er nickte und versuchte, seinen Würgereiz zu unterdrücken. » Warum? Warum muss ich Blut trinken?«
Sie seufzte. »Ich nehme an, dass deine Frage nicht metaphysisch gemeint ist. Du musst es trinken, weil der Gefährte der eigentliche Vampir ist. Er ernährt sich von roten Blutzellen, und die müssen ersetzt werden.«
»Tierblut – würde das auch gehen?« Er wusste, er klang verzweifelt, aber er konnte sich nicht vorstellen, das Blut eines Menschen zu trinken. Er würde es nicht tun. Der Gedanke an Selbstmord ging ihm wieder durch den Sinn, aber allein schon, wenn er daran dachte, spürte er das pochende Leben, das durch seine Adern rauschte, dagegen protestieren.
»Nein«, entgegnete Beatrix ruhig. »Es tut mir leid. Du wirst empfindlich gegen Licht sein, besonders zu Beginn. Für eine Weile wirst du dich nur bei Nacht draußen aufhalten können. Später, wenn du deine Haut bedeckst und blau oder grün gefärbte Augengläser trägst, wirst du es eine kurze Zeit in der Sonne aushalten können. Wenn es dir besser geht, werde ich dir zeigen, wie man transloziert.«
»Was meinst du damit?«
Sie richtete sich auf, ohne den Blick von ihm zu wenden. »Dafür, dass wir ihn beherbergen, verleiht der Gefährte uns Macht. Und diese Macht kann von uns genutzt werden. Du hast die Körperkraft gesehen. Du hast die Translokation gespürt, als wir aus dem Verlies geflohen sind. Du kennst die Suggestion, die wir anwenden können. All das kommt von unserem Gefährten.«
John fühlte, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht stieg, als er an Asharti dachte, an Quintoc und die Suggestion, die er gespürt hatte. Unerträgliche Scham … Er konnte nicht einmal Wut empfinden. Er wandte den Blick ab. Beatrix hatte ihn auch durch ihre Suggestionskraft beeinflusst. Sie legte die Hand an seine Wange. Er drehte den Kopf weg.
»Es ist nicht deine Schuld«, wisperte sie. »Es ist ihre Schuld. Denk daran. Sei zornig, sei wütend, aber schäme dich niemals. Quintoc hat schon dafür bezahlt.« Ihre Augen
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