Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)
kam das Wort wie aus weiter Ferne. Asharti trat in den Kreis. Die anderen Vampire wandten sich um. Die Schwärze sank in sich zusammen.
Komm zu mir, mein Gefährte! , flehte Beatrix noch einmal. Die Schwärze erhob sich pulsierend von Neuem. Alles schien sich zu verlangsamen. Ashartis rote Augen glühten, röter noch als der rote Schleier. Beatrix bekam keine Luft mehr. Die anderen Vampire bedrängten sie. Asharti bedrängte sie. Beatrix rang keuchend nach Atem, sie legte die Hände auf die Brust, presste das letzte bisschen Kraft aus ihrem Gefährten.
Unvermittelt verschwand die Schwärze. Luft drang in ihre Lungen. Der rote Schleier hob sich.
Asharti packte Beatrix mit einer Hand am Kinn und drehte ihr Gesicht so, dass sie dem Starren der roten Augen nicht ausweichen konnte. »Siehst du?«, zischte sie, wobei ihre Nasen sich fast berührten. »Du bist nicht besser als ich.« Sie stieß Beatrix von sich weg. »Das warst du nie.«
Beatrix taumelte und wäre fast gefallen. Mehrere Hände ergriffen sie an den Ellbogen und führten sie zur Tür. Asharti folgte mit großen Schritten. Beatrix konnte nichts tun. Sie war Ashartis Gnade ausgeliefert.
Die Nacht war feucht, als John die Rue Montmorency hinunterwankte. Um sich hörte er die geflüsterten Angebote der Prostituierten, die festen Schritte von Gendarmen, das Rufen betrunkener Zecher, das Rumpeln von Rädern auf Stein und das Klappern von Pferdehufen. Katzen jaulten, Türen wurden zugeschlagen; die Nacht war voller Geräusche. Doch es waren nicht nur Geräusche wahrzunehmen. Die Stadt war voll konkurrierender Gerüche: von verfaulendem Gemüse, beißend riechendem Pferdedung, gekochtem Kohl, ungewaschenen Körpern und frühem Sommerregen. John war nahezu erschlagen von dem, was seine Sinne aufschnappten. Sein Haar tropfte, seine Kleider klebten ihm am Körper. Das hohle Gefühl in seinem Innern hatte nichts mit Hunger oder Durst zu tun. Genau genommen fühlte er sich stark und gefährlich lebendig. Es war ein Schmerz im Herzen, der nicht geheilt werden konnte. Er würde später darüber nachdenken. Er musste aus Paris fort, so schnell wie möglich. Asharti war hier. Und Beatrix.
Er würde an keine der beiden denken noch an sich oder an das Entsetzliche, das sie alle gemeinsam hatten. Er brauchte ein Pferd oder eine Kutsche, und er hatte keinen Sou in der Tasche. Auf gut Glück ging er in Richtung Norden.
Nach einer Weile lehnte er sich an die Mauer eines kleinen Hauses, eines Fachwerkhauses aus einem früheren Jahrhundert. Mit Geranien bepflanzte Kästen schmückten die Fenstersimse. Er schaute hinauf. Noch durch die geschlossenen Fenster hindurch konnte er das Schnarchen im ersten Stock hören. Das Haus sah nach Wohlstand aus. Vielleicht lebte hier ein Kaufmann. Er schaute auf die Tür. Er konnte versuchen, den Riegel zu öffnen. John schaute sich auf der Straße um, dann legte er die Hand um den Türknauf und drehte ihn langsam. Es war ein kleiner Widerstand zu spüren, aber das Schloss öffnete sich schließlich mit einem leisen Schnappgeräusch. Er schlüpfte ins Haus.
Er hatte nicht wahrgenommen, dass der Mond schien – aber es musste so sein, denn er konnte im Haus ziemlich gut sehen, obwohl nur Licht von den Fenstern hereinfiel, die hinaus in die Nacht schauten. Er mied das vordere Zimmer und suchte die Bibliothek. Er konnte das Leder und das Papier der Bücher riechen. Die Schubladen des Schreibtisches hatten Schlüssellöcher. Er vermutete, dass sie verschlossen seien, aber sie ließen sich leicht aufziehen. In der dritten Schublade befanden sich Rechnungen und Geld. Es war fast zu einfach. Er stopfte sich das Geld in die Taschen, griff anschließend zu Tinte und Feder und schrieb die Adresse des Hauses auf ein Stück Papier. Dann verfasste er auf einem weiteren Bogen eine kurze Mitteilung. »Ich bedaure die Notwendigkeit, Ihr Geld nehmen zu müssen. Ich werde es Ihnen mit Zins und Zinseszins zurückgeben.« Er schaute auf und sah ein Cape über einem Stuhl am Kamin hängen. »Und den Umhang.« Die Feder schwebte über dem Papier. Es erschien ihm so unhöflich, die Nachricht nicht zu unterzeichnen. Dann zuckte er die Schultern. Wenn er von Asharti und ihren Speichelleckern gefasst werden wurde, würde dieser kleine Diebstahl nicht ins Gewicht fallen, und wenn nicht, würden die Leute ihren kleinen Einsatz zurückbekommen. »Langley« setzte er schwungvoll darunter.
Dann legte er sich das Cape um die Schultern und verließ das Haus. Drei Straßen
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