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Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf der Wollust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Squires
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weiter war eine Gastwirtschaft. John konnte das Lachen von Männern und Frauen sogar bis hierher hören. Gut. In einer Gegend wie dieser spielte man gewiss um hohe Einsätze.
    Als John einige Stunden später die Schenke verließ, klirrten seine Taschen vor Münzen, und ein Mantel hing über seinem Arm. Er hatte die Taschen seines Gegenspielers beim Pikett mit zwei Septimen und einer seltenen Oktave geleert. Am Ende hatte er um Monsieur Leverets Mantel gespielt, weil er ausgesehen hatte, als würde er ihm passen. Die Morgendämmerung würde bald einsetzen. Der Lärm der Nacht hatte sich verändert. Früh aufstehende Verkäufer priesen ihre Ware an. Diener eilten durch die Dunkelheit zu ihrer Herrschaft. Schwere Karren rumpelten durch die Straßen. Er erinnerte sich an Beatrix’ Warnung vor dem Sonnenlicht. Er musste sich einen sicheren Ort suchen. Also machte er sich eilig auf den Weg zur Seine. Er wollte zu den Kais, um ein Schiff zu finden, das nach Le Havre und über den Ärmelkanal nach England fuhr. Wenn er es irgendwie nach Hause schaffte, konnte er darüber nachdenken, was er nun unternehmen würde.
    Am Kai, über den der üble Geruch der Seine strich, fand er ein Gasthaus, das ein wenig schäbig wirkte, dafür aber mit Fensterläden lockte, die aussahen, als könnte man sie fest verschließen. Er betrat das Haus. Der Wirt war ein rundlicher kleiner Mann, der verdrossen darüber war, so früh schon aufstehen zu müssen, aber sich erfreut über den Louisdor zeigte, den John ihm gab. John konnte den Fisch riechen, der am Hintereingang für die heutige Bouillabaisse geliefert wurde.
    John bat um Packpapier und eine Schnur und eilte hinauf in sein Zimmer. Er schloss die Läden und zog die Vorhänge zu. Dann schlug er den Umhang und das Geld, das er sich ausgeborgt hatte, in das Papier ein, schrieb die Adresse auf das Paket und band die Schnur darum. Er würde es durch den Laufburschen des Wirtes überbringen lassen.
    Er fühlte den Sonnenaufgang. Es tat nicht weh. Kein Licht drang durch die Fenster ins Zimmer. Er wusste einfach nur, dass die Sonne aufging.
    Eine schreckliche Resignation überfiel ihn. Schwer ließ er sich auf das Bett sinken, das unter seinem Gewicht ächzte. Er war heute Nacht so beschäftigt gewesen, dass ihm kaum bewusst geworden war, wie anders alles war, wie anders er war. John streckte sich auf dem Bett aus und ließ die vergangenen Stunden Revue passieren. Die Hinweise auf seine Veränderung fügten sich aneinander: Er konnte im Dunkeln sehen. Er konnte Dinge hören, die er eigentlich nicht hören können sollte. Er hatte Türen und Schubladen geöffnet, von denen er jetzt vermutete, dass sie doch abgesperrt gewesen waren. Er schloss die Augen und fühlte das Brüllen von Leben in seinen Venen. Es war unmöglich, dass er sich so … ganz fühlen konnte, wenn er doch zu einem Monster geworden war. Er glaubte gern, dass neu geschaffene Vampire wahnsinnig wurden. Er presste die Augen fest zu. Verdammt zu sein zu solch einem Leben des Horrors, beschimpft zu werden als das Böse in Person … Das Blut von Menschen zu trinken! Und am schlimmsten von allem, sich trotzdem so ganz und so lebendig zu fühlen – oder gerade deswegen.
    Wie sehnte er sich nach der Ernüchterung, die er noch vor einem Monat empfunden hatte! Damals hatte er erkannt, dass sein Beruf kleine, ehrlose Taten erforderlich machte und dass alle Männer – und Frauen, er durfte die Frauen nicht vergessen! – enttäuschende Kreaturen waren, die gleichermaßen aus Selbstsucht und einer kleinen Seele bestanden. Herrgott, sogar Barlow …
    Barlow. Tot. Verdientermaßen. Die anderen … ebenfalls tot. Barlow hatte sie alle verraten. Auch John hatte sie verraten. Sie waren ihrer Ehre doppelt beraubt worden. Sie waren gestorben, ohne dass sie es verdient hatten, egal, wie viel Ehre sie noch im Leib gehabt hatten. Er hingegen … Asharti hatte ihn benutzt, aber sein Schwanz war nur zu eifrig gewesen, ihr zu Diensten zu sein. Er errötete vor Scham. Und Quintoc …
    John schlug die Hände vors Gesicht. Er zog die Grenze bei Quintoc. Aber er konnte keine weiteren Grenzen ziehen, und die letzte Erniedrigung durch Quintoc ließ ihn erschauern. Beatrix hatte es gesehen, sie musste es gesehen haben. Gott im Himmel, er hatte mit der Brut Satans verkehrt und war ihnen zu Willen gewesen. Und Beatrix war nicht besser.
    Beatrix. Er liebte sie. Gott mochte ihm beistehen, er liebte sie noch, obwohl sie war, was sie war, und obwohl sie diese Kreatur

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